Die Pestglocke
jemanden am anderen Ende des Gartens stehen, eine Silhouette im bleichen Licht. Ich drehte mich um und wollte Finian auf die Gestalt aufmerksam machen, aber er war nicht mehr da. Als ich den Blick wieder wandte, kam der Mann über die dunkle Fläche des Rasens auf mich zugeschlurft. Die Szene erinnerte mich an den Abend, an dem Terry Johnston nach Brookfield gekommen war, aber das Licht war so schwach, dass ich die Züge des Mannes nicht erkennen konnte; er schien jedoch einen Anzug zu tragen.
»Finian«, rief ich, »bist du das?«
Der Mann antwortete nicht, aber ich hörte ihn monoton und ohne Melodie summen. Je weiter er sich näherte, desto bekannter kam er mir vor. Sein Gang war unstet, da er alle paar Meter stehen blieb und seinen Kurs neu bestimmte, wie eine Gestalt aus einem Zombiefilm.
»Das reicht jetzt, Finian«, sagte ich.
Der Mann kam noch näher. Es war mein Vater. Er streckte die Hände nach mir aus. Etwas stimmte nicht mit ihm, aber er konnte nicht sprechen, nur seinen immergleichen Ton summen.
Ich kroch in meinen Sitz, als er genau auf mich zukam und auf die Knie fiel. Ich sah jetzt, wie dünn er war, dünner als Terry Johnston gewesen war. Ich sah, wie seine papierdünne Haut kaum die Schädelknochen bedeckte. Sein Mund war fest verschlossen, und er gab immer noch dieses merkwürdige Brummen von sich.
»Dad, bitte sag etwas.« Ich war beunruhigt.
»Die Männchen ernähren sich von Nektar«, sagte eine Stimme neben mir. »Deshalb können sie nicht mehr sprechen.« Ich drehte mich um. Finian war zurückgekehrt.
Als ich den Kopf wieder umwandte, stand Johnston über mir. Plötzlich klappte sein Kiefer herunter, und ich sah, dass sein Mund voller Bienen war, ein schwarzer, surrender Schwarm, der sich wie eine zähflüssige Substanz auf mein Gesicht zu ergoss.
Ich erwachte schreiend, hektisch an meinen Haaren ziehend, mein Herz schlug so heftig, dass es zu zerspringen drohte. Ich tastete blindlings nach dem Nachttischlicht, fand es und schaltete es an. Das Surren war immer noch in meinen Ohren, und ich setzte mich auf die Bettkante und schnappte nach Luft.
Nicht lange, nachdem Finian aus dem Haus gestürmt war, hatte Groot ein Taxi bestellt und war aufgebrochen. Ich hatte es ihm ausreden müssen, nach Brookfield zu fahren und sich zu entschuldigen, indem ich erklärte, dass er auf eine merkwürdige Weise das Ergebnis herbeigeführt hatte, das ich mir insgeheim zu wünschen begonnen hatte -denn ich war überzeugt, falls Finian den Auftrag des National Trust ablehnte, würde er im tiefsten Innern immer einen Groll hegen, und ich wollte nicht, dass so ein Gift in seine Seele drang.
Mein Handy läutete auf der Kommode neben mir. Ich sah die Uhrzeit, als ich den Antwortknopf mit dem Daumennagel drückte. 10.25. Ich hatte verschlafen.
»Ich bin es schon wieder«, sagte Groot. »Ich rufe aus dem Hotel an. Ich kann bestätigen, dass Latifah Hassan Melioidosis hatte und das Blut auf dem Hackmesser von ihr stammt. Es sieht also danach aus, als hätte sich Terry Johnston über den Kontakt mit ihr infiziert. Gallagher und ich haben uns vorhin bereits im St. Loman getroffen, und er wird die Möglichkeit ins Auge fassen müssen, dass Terry etwas mit ihrem Tod zu tun hatte.«
»Haben Sie es Ross Johnston schon gesagt?«
»Ja, und es ist schmerzlich für ihn, wie Sie sich vorstellen können. Ich habe versucht, es ihm verständlicher zu machen, indem ich andeutete, dass Terry durch von Aids verursachte Gehirnschädigungen aus dem Gleichgewicht geraten war.«
»Das war freundlich.« Es war die Entschuldigung, die die Verteidigung für den Mörder seines Vaters geltend gemacht hatte.
»Und die Wahrheit. Ich habe die Verletzungen bei der Autopsie gesehen. Der Mann muss schon vor seinem Zusammenbruch Anfälle von geistiger Verwirrung gehabt haben. Übrigens habe ich zu Ross gesagt, Sie seien einverstanden, ihn zu sehen. Da er um halb zwölf zum Flughafen nach Dublin aufbricht, schlug er ein Treffen auf dem Friedhof von Oldbridge um 11.00 Uhr vor. Sie wüssten schon wo, und es spart Zeit, sagt er. Und Sie möchten bitte ein paar Fotos der Statue mitbringen.«
»Äh ... okay. Und wann machen Sie sich auf den Weg?«
»Ich bin hier, um zu packen. Gallagher lässt mich in etwa zwanzig Minuten von einem Wagen holen und zurück ins Krankenhaus fahren. Danach geht es weiter nach Dublin zu einer Übernachtung im Radisson und einer kurzen Besichtigungstour, ehe ich morgen abfliege.«
»Wieso fahren Sie noch einmal
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