Die Pestglocke
wirklich einmal etwas anderes versuchen.«
»Jedenfalls, wo war ich? Ach ja, Terry versuchte dann eine Replik als echtes archäologisches Artefakt auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Anscheinend zog er diesen Schwindel öfter durch, wenn er auf einer Grabung arbeitete – er gab vor, etwas Wertvolles gefunden zu haben, und bot es zum Kauf an. Dann verschwand er und verdingte sich bei einer anderen Grabung, hier oder in England. Aber in diesem einen Fall war er an ein paar hartgesottene Typen geraten, die ihr Geld zurückwollten, und Ross musste ihm aus der Patsche helfen. Als er sich vor ein paar Wochen an seinen Bruder wandte, weil er dreitausend Euro für eine Investition hier in Castleboyne brauchte, nahm Ross aus diesem Grund an, es handle sich um einen weiteren schiefgelaufenen Schwindel und sagte Nein. Terry meinte, sein vierzigster Geburtstag stünde bevor, und es wäre ein perfektes Geschenk. Ross lehnte erneut ab, aber Terry unternahm einen letzten Versuch und erklärte, es handle sich um etwas, das seine Krankheit heilen würde. Ross blieb dabei, mit keinem Geld herauszurücken, solange Terry ihm nicht verriet, was es genau war. Das wollte Terry nicht, also verstrich sein Geburtstag -aber dann rief er Ross letzten Freitag aus dem St.-Loman-Krankenhaus an und erzählte eine Geschichte von einer Statue, die möglicherweise einen Schatz verbarg. Ross war mehr darüber besorgt, dass sein Bruder im Krankenhaus war und bekam Schuldgefühle. Doch als er am Samstag hier eintraf, lag Terry bereits im Koma.«
»Was erweckte dann seine Neugier in Bezug auf das Fenster?« Ich angelte mir mit meinen Stäbchen ein Stück Ente von Groots Teller.
»Er sagt, er hat in Terrys Bude in Navan vorbeigeschaut und verschiedene Notizen und Zeichnungen gefunden, darunter eine von dem Buntglasfenster. Es gab außerdem ein Buch über die Geschichte von Castleboyne, in der Terry eine Legende über einen versteckten Schrein markiert hatte. Terry arbeitete wahrscheinlich an einer Betrugsstory, und als dann die Statue gefunden wurde, dämmerte es ihm, dass die Geschichte von dem Schatz wahr sein könnte.«
»Dann wollte Terry das Geld vielleicht haben, um einen Schwindel aufzuziehen, der auf der Legende beruhte, und der ihm genügend Geld für eine Behandlung in irgendeiner Klinik einbringen würde.«
Groot sah mich ernst an. »Darum ging es überhaupt nicht, Illaun …«
Ich sah die Scheinwerfer eines Wagens in der Einfahrt.
»Wir haben einen Besucher«, sagte ich.
»Erwarten Sie jemanden?«
»Nein.«
Als ich den Schlüssel in der Tür hörte, dachte ich erst, es könnte meine Mutter sein. Aber sie hat einen eigenen Eingang zum Haus und benutzt normalerweise diesen.
»Hallo«, rief Finian fröhlich aus dem Flur. Dann hörte ich ihn ins Wohnzimmer gehen. »In der Küche«, rief ich.
Er erschien in der Tür und blieb wie angewurzelt stehen, als er Groot sah. Mir war klar, dass die Situation ungut wirkte.
»Wir haben uns gerade etwas zu essen kommen lassen. Möchtest du etwas?«, versuchte ich es herunterzuspielen.
Finian sah mich mit einer Härte im Blick an, die ich noch nie an ihm bemerkt hatte. »Ich bin hier, um dir meine Entscheidung mitzuteilen. Ich dachte, ich sag es dir persönlich. Wenn es dir recht ist, würde ich dich also gern unter vier Augen sprechen.«
»Ja, klar, natürlich. Entschuldigen Sie uns«, sagte ich zu Groot und rutschte von dem Hocker. Als ich in den Flur kam, stand Finian bereits in der Mitte des Wohnzimmers. Sein Gesicht war weiß vor Zorn.
»Es ist nicht so, wie du denkst«, sagte ich, wie eine Figur aus einer Seifenoper.
Finian hob die Hand. »Das ist mir eigentlich egal, Illaun«, sagte er in bitterem Ton. »Wie gesagt, bin ich hier, um dir meine Entscheidung mitzuteilen. Ich habe entschieden ... das Angebot des National Trust anzunehmen.«
Ich merkte an seinem kurzen Zögern, dass er eigentlich gekommen war, um eine andere Entscheidung zu verkünden. Aber nun waren die Würfel gefallen.
Als er an mir vorbeirauschte, hielt er einen Moment inne und zeigte auf die Vase auf dem Kaffeetisch. »Hübsche Blumen«, sagte er.
35. Kapitel
F inian und ich saßen in einer Pergola am Ende des Geistergartens. Es schien kein Mond, man sah nur die Sterne, und die Sträucher und Blumen strahlten ihr eigenes blasses Leuchten aus, kreidiges Weiß, blasses Blau und mattes Lila. Eine Gruppe weißer Gartenlilien wirkte wie eine Prozession von Nonnen mit kunstvollen, leuchtenden Schleiern.
Dann sah ich
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