Die Pestglocke
Johnston und ich uns unterhalten hatten. Waren wir auch beobachtet worden, als wir an dem Grab standen? Ich zitterte, halb vor Kälte und halb vor Beunruhigung, und verriegelte alle Türen von innen. Instinktiv wollte ich Finian anrufen. Ich schaltete das Handy an, und auf dem Display erschien eine SMS von Fran. »Neuigkeiten. Meld dich schnell.«
Als ich anrief, antwortete sie sofort. »Weißt du was – ich habe ein langes Wochenende frei«, gluckste sie.
»Wunderbar, Fran. Ich hoffe, du genießt es.«
»Das habe ich allerdings vor. Matt und ich fahren zusammen weg.«
Na, das war wirklich eine Neuigkeit. »Holla -das ging aber schnell.«
»Wir sind einfach nur gern zusammen. Es geht um Gesellschaft.«
»Ja sicher. Erzähl mir nicht, du packst keine neue Wäsche ein.«
»Das bleibt vorerst mein Geheimnis. Ich erzähle dir schamlos alle Einzelheiten, wenn wir zurück sind.«
»Du wirst doch wohl nicht heute Abend die Chorprobe ausfallen lassen, oder?«
»Tja, Matt ist gerade draußen vorgefahren, also was soll ich machen? Ciao, ich muss los.«
Ich hatte Fran seit Langem nicht mehr so glücklich erlebt. Ich hoffte, es würde länger anhalten als ein Wochenende.
Ihre gute Laune hatte mein Unbehagen über das Gefühl, verfolgt zu werden, ein wenig gelindert. Aber ihre prächtige Stimmung hatte auch meine Begeisterung darüber gedämpft, Zeit mit einem Mann zu verbringen, dessen Gefühle mir gegenüber zurzeit genauso ohne Wärme waren wie der graue Nachmittag.
Während der Rückfahrt in die Stadt rief Cora Gavin an, und ich hielt am Straßenrand, um das Gespräch anzunehmen.
»Ich hatte vorhin Besuch von Peter Groot«, sagte sie. »Er hat sich für sein unprofessionelles Verhalten entschuldigt. Er führte es darauf zurück, dass er stark unter Druck gestanden hatte – was wohl stimmt, aber andererseits auf uns alle zutraf.«
»Sicher.« Ich hatte nicht vor, mich mit Cora auf eine Diskussion über Groot einzulassen.
»Aber das ist nicht der Grund, warum ich anrufe«, sagte sie zu meiner Erleichterung. »Mir war nicht klar gewesen, dass Beauty Adelola in Wirklichkeit Latifah Hassan hieß, bis Groot es vorhin erwähnte.«
»Wirklich?« Wie konnte das sein? Dann fiel mir ein, dass Cora nicht im Zimmer gewesen war, als Ben zugab, dass sie falsche Namen benutzt hatte.
»Ich erinnerte mich vage, dass ich den Namen schon einmal irgendwo gesehen oder gehört hatte, und als Groot fort war, ging ich meinen Dienstkalender durch und fand ihn. Es war ein Eintrag, aus dem ich seinerzeit nicht schlau geworden war. Hadi Abdulmalik hatte für Dienstag, 21. Mai um 14.00 Uhr einen Termin in den Kalender gekritzelt. Er lautete: ›Latifah Hassan – sag mir Bescheid, wenn sie da ist.‹ Aber sie kam nicht, und wir dachten wohl beide nicht mehr daran – bis heute eben.«
»Ein weiterer Hinweis darauf, dass sie am Montagabend getötet wurde.«
»Das dachte ich zunächst auch. Aber dann fiel es mir ein – ich hatte Hadis Notiz erst gesehen, als ich am Dienstag vom Lunch zurückkam. Sie stand am Dienstagmorgen noch nicht in meinem Terminkalender. Also musste Latifah Hadi am Dienstagvormittag aufgesucht oder zumindest angerufen haben. Das hat mich so verwirrt, dass ich ihm gerade nach Kairo hinterhertelefoniert habe, um die Sache zu klären. Was er mir erzählt hat, wird den Mordverdacht gegen Terry Johnston vielleicht nicht ganz ausräumen, aber es wird Gallagher und sein Team zwingen, den vermeintlichen Tathergang zu überdenken. Es wirft außerdem ein schlechtes Licht auf Latifahs Bruder, muss ich leider sagen.«
»Ach ja?«
»Anscheinend ging Latifah zu Hadi, weil er Moslem und Arzt war. Sie hatte ein medizinisches Problem, das aber auch eine religiöse Dimension beinhaltete, und sie brauchte ebenso sehr Beratung wie Behandlung. Sie erzählte Hadi, ihr Bruder habe sie dazu überredet, ungeschützten Sex mit einem Nicht-Moslem zu haben, der glaubte, dass er dadurch von Aids geheilt werde, und sie hat seinen Namen erwähnt: Terry.«
»Mein Gott. Terry Johnston. Von Aids geheilt? Und Ben hat sie überredet?«
»Es war eine ganze Menge Geld im Spiel, genug, um sich aus der Sexsklaverei freizukaufen -jedenfalls glaubte sie das. Das war ihr moralisches Dilemma gewesen, bevor sie sich auf die Sache einließ. Aber nachdem sie mit dem Kerl geschlafen hatte, musste sie feststellen, dass er die vereinbarte Summe gar nicht besaß, nicht einmal annähernd. Und aufgrund ihrer Infibulation war sie wund und blutete, und ihr war
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