Die Pestglocke
klar, dass sie nun auch in großer Gefahr war, sich Aids geholt zu haben.
Aufgrund ihrer Schilderung konnte Hadi abschätzen, dass ihr Blutverlust keine sofortige Intervention nötig machte. Und da die Verletzung in ihrem Genitalbereich lag, musste sie streng genommen von einer Frau untersucht werden – auch einer Nicht-Moslem – anstatt von einem männlichen Arzt, einschließlich Hadi selbst. Er wusste, dass ich in ein paar Stunden zum Dienst kommen würde, also schlug er vor, einen Termin bei mir zu machen und Latifah zu helfen, den Sachverhalt zu erklären, wenn sie zurückkam. Inzwischen gab er ihr ein Schmerzmittel und setzte sie auf Antibiotika. Sie sagte, es passe ihr ganz gut, das Krankenhaus noch einmal zu verlassen, da sie einen Journalisten treffen müsse, den sie am Samstagabend in dem Nachtclub kennengelernt hatte. Sie war offenbar entschlossen, ihre Geschichte zu erzählen, und der Journalist hatte versprochen, sie zu veröffentlichen.«
»Ihre Geschichte?«
»Sie sagte, sie würde den Frauenhandel zur Belieferung der Sexindustrie anprangern, um andere vor der Ausbeutung zu warnen, die sie erwartete, und um zu erklären, dass Nachtclubtänzerinnen praktisch Vertragssklaven seien und Prostitution häufig der einzige Weg, wie sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen können. Aber sie wollte auch offen über die Praxis der Beschneidung in ihrem eigenen Land sprechen und die entwürdigende, schmerzliche Erfahrung beschreiben, die sie infolgedessen erlitten hatte. Es sollte eine Kritik am Umgang mit Frauen in zwei verschiedenen Kulturen werden, denke ich. Und das war das Letzte, was Hadi oder ich bis heute von ihr hörten. Ich hielt es für wichtig, dass du es erfährst. Wie gesagt, es entlastet Terry Johnston nicht gänzlich, aber er hat sie auf keinen Fall am Montagabend getötet.«
»Hast du Gallagher das alles erzählt?«
»Ich konnte ihn nicht erreichen, deshalb dachte ich, ich hinterlasse es bei dir.«
»Natürlich. Ich sag ihm Bescheid.«
Und das wollte ich auch tun, aber nicht sofort. Ich hatte nicht die Absicht, ihm und Fran das lange Wochenende zu verderben. Und es war ja nicht so, als würde ein Unschuldiger hinter Gittern sitzen.
Aber was ich soeben gehört hatte, war unfassbar bizarr. Um zu glauben, er könnte auf diese Weise von Aids geheilt werden und sich so zu verhalten, wie er es tat, musste er an einer geistigen Störung gelitten haben, wie Groot bereits vermutet hatte. Aber dass Ben Adelola Latifah zu ungeschütztem Sex überredet hatte, war nicht nur grauenhaft seiner eigenen Schwester gegenüber, sondern legte auch den Verdacht nahe, dass er sich Terrys verwirrten Geisteszustand zunutze gemacht hatte. Ließ sich ein derart widerliches Verhalten irgendwie rechtfertigen?
Als ich wieder auf die Straße fuhr, sah ich den Umschlag von Ross Johnston aus meiner Tasche ragen. Vielleicht würde ich am Ende des Tages wissen, was Ben Adelola zu solchen Scheußlichkeiten getrieben hatte.
Nachdem der Chor an diesem Abend die Lieder für Fronleichnam geprobt hatte, fuhr ich zu Adelolas Haus, um ihm das Geld von Ross Johnston zu geben – und um zu überprüfen, was mir Cora erzählt hatte.
Auf mein Läuten öffnete niemand, und das Haus lag in Dunkelheit. Ich schob das Kuvert durch den Briefschlitz. Sosehr es mir auch widerstrebte, musste ich doch Ross Johnstons Wünsche erfüllen. Danach schaute ich aus einer Augenblickslaune heraus noch bei Fran vorbei. Ich dachte, ich könnte mich ein wenig mit Daisy unterhalten.
Sie machte die Tür auf, als ich läutete.
»Hallo, Daisy, ich dachte, ich komme auf ein Schwätzchen vorbei. Bist du allein?«
»Nein, Oisin ist mit ein paar von seinen Freunden da.«
»Was dagegen, wenn ich trotzdem für ein paar Minuten hereinkomme?« Sie machte die Tür weit auf, und ich trat in den Flur. »Ich habe gerade bei einem eurer Nachbarn etwas abgegeben. Ich glaube, er ist zur Arbeit gegangen, deshalb habe ich es in den Briefkasten geworfen.«
»Bei wem?«
»Ben Adelola.«
»Ja, der ist allerdings arbeiten gegangen. Und zwar ausgerechnet mit diesem blöden Darren Byrne.«
Ich war wie erstarrt. »Das verstehe ich nicht.«
»Ich habe gesehen, wie Darren vor etwa zwei Stunden seinen Wagen vor unserem Haus geparkt hat. Ich dachte, er will mir Angst machen, deshalb bin ich raus, um ihn zur Rede zu stellen oder so. Aber er saß gar nicht im Wagen, als ich hinauskam. Ich habe in das Auto geschaut, und da lagen diese ganzen Werkzeuge auf der Rückbank.«
»Was
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