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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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wären damit mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Einerseits hätte ich Ruland Berging in aller Stille seines Amtes enthoben und die Ruhe im Dorf wäre wenigstens diesbezüglich gesichert. Er hätte sozusagen lediglich seinen Arbeitsplatz gewechselt und müsste mir für diesen menschlichen Akt sogar dankbar sein. Somit könnte er als Ortsvorsteher keinen Schaden mehr anrichten. Andererseits hätten die Staufner wieder einen Leichenbestatter, dachte der Kastellan, obwohl er nicht ganz sicher war, ob dies tatsächlich eine gute Lösung sein würde.
    »Und? Wie habt Ihr Euch entschieden?«, fragte er plötzlich.
    Aber der Ortsvorsteher machte es spannend. Erst nach einem Weilchen taktischen Überlegens antwortete er knapp: »Also gut, mein Herr! In Gottes Namen.«
    »Beschwört nicht unseren Herrgott herbei! … Ihr nicht! Hört Ihr? … Ihr nicht!«, ermahnte ihn der gottesfürchtige Schlossverwalter mit einem strengen Fingerzeig. Da er aber froh war, die Sache so schnell erledigt zu haben, ließ er seiner aufsteigenden Erregung keinen freien Lauf und blieb gelassen. »Abgemacht!«, sagte er. »Ich werde noch heute ein Papier verfassen, in dem geschrieben steht, dass Ihr mit sofortiger Wirkung aus freien Stücken von Eurem Amt als Ortsvorsteher zurücktretet und dass Ihr keinerlei Forderungen irgendjemandem gegenüber anmeldet. Außerdem werde ich mit Propst Glatt über Eure neue Arbeit als Leichenbestatter sprechen. Ich gehe davon aus, dass es ihm recht sein wird.« Der Kastellan sah den soeben abgesetzten Ortsvorsteher streng an, bevor er noch anmerkte: »Denn von Eurer dunklen Seite weiß er ja nur das Wenige, was er hier und da vom Volk gehört hat. Ein weiterer Vorteil für Euch ist es, dass ich kommissarisch das Amt des Ortsvorstehers übernehmen werde und meine Familie keine Amtswohnung benötigt. Zudem kann ich Euch vor der ansonsten drohenden Ächtung schützen. Ideale Voraussetzungen für Euch, ein gottgefälliges Leben zu beginnen. Eine Voraussetzung für unsere Abmachung allerdings ist, dass Ihr das Geld, das für den Wegebau vorgesehen war, sofort auf den Heller genau zurückzahlt. Ist das klar?«
    Um jetzt nichts mehr durcheinanderzubringen, nickte der neue Leichenbestatter unterwürfig, dachte dabei aber: Leck mich. Das Geld hole ich mir schneller wieder, als du denkst … Und du bist auch noch dran.

    *

    Der Kastellan nahm sich vor, die Sache der Form halber mit der rechten Hand des Grafen, Oberamtmann Conrad Speen, abzusprechen. Hauptsache, dass möglichst schnell wieder Ruhe ins Dorf einkehrte. Das Amt des Ortsvorstehers und die damit verbundene Mehrarbeit würde er selbst übernehmen – zumindest so lange, bis sich ein geeigneter Kandidat fand. Er war sicher, dass ihn der Propst tatkräftig unterstützen konnte. Er musste es nur noch seiner solchen Vereinbarungen kritisch gegenüberstehenden Frau Konstanze beibringen.

    *

    Nachdem tags darauf der neu ernannte Leichenbestatter das gestohlene Geld – bis auf das, was mittlerweile unter die Matratzen der Staufner Wirtsleute und in die Hände auswärtiger Hübschlerinnen gewandert war – zurückgegeben hatte und das Papier unterzeichnet war, stand die Abmachung. Es bedurfte keiner gesonderten Versammlung, ja nicht einmal des sonst üblichen Handschlages, vor dem es Ulrich Dreyling von Wagrain gegraust hätte.
    Die neue Ämterverteilung hatte sich schnell im Dorf herumgesprochen, und die Menschen waren zufrieden. Am meisten aber freute es die Staufner, dass das Geld für den Wegebau wieder da war. Obwohl der Kastellan bei der Argumentation zur wundersamen Auffindung des Geldes alle Heiligen hatte bemühen müssen, um den entlassenen Ortsvorsteher zu schützen und gut dastehen zu lassen, wollte niemand mehr etwas mit diesem zu tun haben. Die Leute spöttelten: »Er ist besser Totengräber auf dem Kirchhof als der Totengräber des ganzen Dorfes. Wer weiß, was aus Staufen geworden wäre, wenn er in seinem Amt als Ortsvorsteher verblieben wäre.«

Kapitel 3

    »Gott zum Gruße, Melchior!«, rief der Bäcker schon von weitem. »Hast du …« Da er merkte, dass Melchior nicht reagierte, bremste er seinen aufkommenden Redefluss.
    Der sechzehnjährige Sohn des Leinwebers Mathias Henne konnte ihn nicht hören, denn aus dem Hausinneren drangen rhythmisch das hölzerne Klacken des Webstuhles und das Surren eines Spinnrades. Während der Vater mit flinken Händen das Schiffchen hin und her sausen ließ, mühte sich Melchiors Mutter Rosa gerade, eine

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