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Die Pestspur

Die Pestspur

Titel: Die Pestspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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in einem Zug aus. Dann berichtete er mit zittriger Stimme, seine Frau sei schon seit gestern spurlos verschwunden und er habe sie die ganze Nacht über erfolglos gesucht.
    »Nichts! Als wenn sie der Erdboden verschluckt hätte.«
    »Das gibt’s doch nicht! Barbara kann doch nicht so einfach verschwunden sein«, versuchte der alte Leinweber seinen Nachbarn zu beruhigen.
    »Wo und wann habt Ihr sie denn zuletzt gesehen?«, wollte Melchior wissen.
    »Gestern!«, kam die knappe, für Melchior allerdings zu unpräzise Antwort.
    »Nun lasst Euch nicht alles aus der Nase ziehen. Wir wollen Euch doch nur helfen«, entfuhr es dem Webersohn fast eine Spur zu laut. Da er dies selbst gemerkt hatte, klopfte er dem Bäcker entschuldigend auf den Oberschenkel, dass es staubte. »Verzeiht mir, wenn ich weiterfrage. Wann hat Eure Frau das Haus verlassen und wohin ist sie gegangen?«
    »Na ja: Wie jeden Mittwoch ist sie vormittags zum Wochenmarkt und wollte danach zum Medicus, um lindernden Kräutersud und eine Salbe abzuholen. Ihr wisst ja: Die Gicht und …«
    »Ja, ja, die Gicht«, fiel ihm die Weberin ins Wort und hob gleichzeitig beschwörend ihre zu Klumpen verformten Hände in die Höhe, vergaß dabei allerdings, dass sie den Becher noch in Händen hielt.
    Melchior konnte das Trinkgefäß, das vom Töpfer Cornelius Brugger extra für ihre Finger angepasst worden war, gerade noch auffangen, bevor dieses zu Boden fiel. Erleichtert schnaufte er aus.
    »Glück gehabt.«
    Der Bäcker fuhr fort: »Sie hat weder gekocht noch war sie zum Mittagsmahl zurück. Das ist aber nicht alles. Seit einiger Zeit klagt sie über starke Magenschmerzen. Deswegen wollte sie zum Medicus gehen … obwohl seine Mittelchen bisher versagt haben.«
    »Aber warum hast du sie dann nicht schon gestern gesucht?«, wollte Mathias Henne wissen.
    »Hab’ ich doch!«, kam entrüstet die Antwort. »Als Erstes bin ich zum Medicus …«
    »Und?«, konnte es Melchiors Vater nicht erwarten.
    Der Bäcker schaute unsicher um sich, bevor er weitererzählte: »Nachdem mir der Medicus gesagt hat, meine Holde sei überhaupt nicht bei ihm gewesen, habe ich das ganze Dorf abgesucht. Da Barbara immerhin über sechzig ist, habe ich gedacht, dass sie nicht weit sein kann. Außerdem hatscht sie und kann deswegen sowieso nicht weit laufen.«
    »Und Ihr habt wirklich alles abgesucht? Habt Ihr dabei Hilfe gehabt?«, hakte Melchior schon wieder nach.
    Da der Bäcker nicht mit so vielen Fragen gerechnet hatte, war er verunsichert und schnaufte tief durch.
    »Nein! … Das heißt: Ja! Selbstverständlich habe ich alles nach ihr abgesucht, allerdings nur innerhalb des Dorfes. In die Wälder bin ich nicht gegangen. Ich bin schließlich auch nicht mehr der Jüngste. Und um Hilfe habe ich niemanden gebeten, weil ich nicht gleich die Pferde scheu machen wollte. Kinder, die mir dabei hätten helfen können, haben wir ja auch keine mehr.« Nachdem er dies gesagt hatte, senkte er traurig den Kopf.
    Melchior überlegte ein Weilchen, bevor er erzählte, er habe beim gestrigen Markt nicht nur Frau Föhr, sondern auch einen Planwagen mit Gauklern und Possenreißern gesehen.
    »Du glaubst doch nicht, dass die alte Weiber entführen«, musste jetzt selbst der Bäcker lachen, bevor er den Kopf schüttelte. »Die hätten eine Freude an meinem Drachen.«
    »Aber es ist bekannt, dass immer wieder Menschen verschwunden sind, wenn kurz zuvor Vaganten in der Stadt oder in einem Dorf waren«, wollte sich Melchior, der selbst gemerkt hatte, dass er in seinem Eifer Unsinn geschwatzt hatte, herausreden, provozierte dadurch allerdings nur ein verständnisloses ›Blödsinn‹ vom Bäcker.
    »Er hat nicht ganz unrecht«, wurde Melchior von seinem Vater in Schutz genommen. »Wir müssen alles in Betracht ziehen.«
    »Ja! Wo soll sie denn sonst sein?«, mischte sich jetzt auch noch die Mutter ein.
    »Lass es gut sein, Rosa. So kommen wir nicht weiter«. Der Leinweber lächelte seine Frau sanft an und drückte ihr den Becher, den ihr Melchior kurz zuvor wieder aus den Händen genommen hatte, zwischen die Finger.
    Die tapfere Frau lächelte dankbar zurück. Sie wusste, dass sie von ihren Männern niemals im Stich gelassen und bis zu ihrem Lebensende ein beschütztes Zuhause haben würde. Und dass sie sich künftig niemals allein vom Haus entfernen würde, schwor sie jetzt insgeheim. Nachdem die drei noch ein Weilchen gemutmaßt und beratschlagt hatten, klopfte sich Melchior so fest mit beiden Händen auf die

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