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Die Pfade des Schicksals

Die Pfade des Schicksals

Titel: Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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in der aufkommende Hysterie mitschwang. »Mach ihn wieder lebendig!«
    »Pahni!« Jetzt knallte die Stimme des Mähnenhüters wie eine Peitsche. »Beruhige dich! Ist solches Benehmen einer Seilträgerin würdig?«
    Sie achtete weiter nicht auf ihn, sondern verlangte hektisch keuchend: »Du musst ihn wieder lebendig machen!«
    Linden war so erschrocken, dass sie sich kaum protestieren hörte: »Das kann ich nicht.«
    »Du musst aber!«, kreischte Pahni. »Er ist mein Liebster! Und sein Tod war sinnlos! Er hat sich in deinem Namen geopfert, aber das war sinnlos!«
    »Pahni!«, drängte Mahrtür. Er streckte die Hände aus, um sie zurückzuhalten oder zu umarmen.
    So flüssig, dass Linden ihre Bewegungen kaum wahrnahm, schlang Pahni ihre Garotte um Mahrtiirs Handgelenke und zog sie mit einem Ruck zusammen. Im nächsten Augenblick war sie an ihm vorbei, riss die Arme hoch und benutzte das gestraffte kurze Seil dazu, Mahrtür von den Beinen zu holen.
    Branl fing ihn auf, bevor er zu Boden ging. Clyme hielt sich bereit, einen weiteren Angriff abzuwehren.
    Aber Pahni hatte sich schon wieder Linden zugewandt. Sie hielt ihre Garotte für Lindens Hals bereit.
    »Du wirst mir zuhören, Ring-Than!«, rief sie mit einer Stimme wie Nordwind und Hagelwetter. »In Andelain hast du deinen eigenen Geliebten wieder lebendig gemacht! Jetzt wirst du mir meinen zurückgeben! Was du dafür brauchst, ist alles da. Weißgold. Der Stab des Gesetzes. Der Krill von Hoch-Lord Lorik. Und dort…« Sie ließ die Hände erhoben. »… liegt Liand ermordet!
    Bist du herzlos? Ich weiß, dass du es nicht bist. Deshalb musst du ihn ins Leben zurückholen!«
    Mahrtür war wieder auf den Beinen. Jetzt bewies er, dass auch er schnell sein konnte. Trotz seiner Blindheit packte er Pahnis Garotte zwischen ihren Fäusten. Dann war er hinter ihr, bog ihr die Arme auf den Rücken und hielt sie dort umklammert.
    »Pahni«, ächzte Bhapa. »O Pahni! In seiner Stimme klang unterdrücktes Weinen an. »Das darfst du nicht. Das darfst du nicht.«
    »Ring-Than!« Die junge Seilträgerin wehrte sich strampelnd gegen Mahrtiirs harten Griff. »Ich verlange, dass du auf mich hörst!«
    Jedes ihrer Worte hinterließ eine blutige Kratzwunde wie von Krallen.
    »Das kann ich nicht«, wiederholte Linden. Sie ließ plötzlich ihren Stab fallen. Als wollte sie sich selbst bestrafen, holte sie Covenants Ring aus der Tasche und warf ihn auf die Erde. Dann trat sie vor, um Pahni und Mahrtür in die Arme zu schließen.
    »Ich täte es, wenn ich es könnte«, seufzte sie in Pahnis Ohr. »Ich täte es deinetwegen. Auch wenn ich ihn nicht selbst geliebt hätte.« Auch wenn sie nicht schon gegen so viele Gesetze verstoßen hätte. »Aber ich kann es nicht. Ich kann es einfach nicht.
    Ich weiß nicht, wo er ist.«
    Die Seilträgerin hatte stillgehalten, während sie zuhörte. Jetzt wehrte sie sich wieder. »Er liegt dort!«, rief sie empört, als wollte sie die Zähne in Lindens Hals schlagen. »Seine Leiche liegt dort!«
    »Ja, ich weiß.« Wie Bhapa weigerte auch Linden sich, in Tränen auszubrechen. »Das sehe ich. Aber ich weiß nicht, wo sein Geist ist.
    In Andelain hatte ich Covenant direkt vor mir. Ich habe seinen Körper nicht gebraucht, weil sein Geist da war.« Damit war jeder Aspekt seines verlorenen Körpers definiert gewesen. »Er war weiter er selbst. Aber diesmal habe ich nur Liands Körper. Ich kann seinen Geist nicht zurückrufen …« Auch wenn sie seine schwere Kopfverletzung hätte heilen können. »… weil ich nicht weiß, wo er ist.
    Vielleicht ist er unter den Toten in Andelain. Das hoffe ich. Aber Andelain liegt außerhalb meiner Reichweite. Ich kann ihn nicht aufspüren, erst recht nicht bitten, wieder zu leben. Und ich kann keinen neuen Geist für seinen armen Leib erschaffen. Ich weiß einfach nicht, wie.« Sie besaß nichts von dem Lehrenwissen der Alt-Lords. Sogar Caerroil Wildholz’ Runen blieben ihr ein Rätsel. »Was ich produzieren würde - wenn ich es überhaupt könnte -, wäre am Ende nicht Liand.«
    Diesmal durchbohrte sie der Klang seines Namens aus ihrem eigenen Mund wie ein Speer. Vor ihren Augen schien alles nochmals abzulaufen: Anele, der brutal die Hände zusammenschlug; die jäh brodelnde Lava; das Gemenge aus Blut, Knochen und Gehirnmasse. Sie biss aufseufzend die Zähne zusammen, um ihren Schmerz zu unterdrücken, statt ihn Pahni ins Ohr zu schreien.
    Die junge Seilträgerin wand sich noch kurze Zeit in Mahrtiirs Griff und Lindens Umarmung.

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