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Die Pfade des Schicksals

Die Pfade des Schicksals

Titel: Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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um Jeremiah zu kümmern und Patienten zu versorgen, die zu krank waren, um das eigene Überleben sichern zu können, dass sie verlernt hatte, auf andere Beziehungen zu vertrauen. Sie hatte sich gestattet, nur an Covenant zu glauben - und nun zweifelte sie sogar an ihm. Blind für die Folgen ihrer Handlungsweise, hatte sie alle ihre Freunde in gewisser Weise wie Kinder oder Invaliden behandelt.
    Sogar Liand. Sogar Stave.
    Weshalb hatte sie sich sonst herabgesetzt gefühlt, wenn die anderen Herausforderungen bestanden hatten, an denen sie gescheitert war?
    Linden verstand noch immer nicht, weshalb die Ranyhyn es riskiert hatten, sie so dicht an die Sarangrave heranzubringen. Aber sie wusste, was dieses Erlebnis bedeutete. Es hatte sie dazu gezwungen, ihren Stab - das Symbol ihrer Arroganz - wegzuwerfen. Vielleicht hatten die großen Pferde ihr unabsichtlich gezeigt, dass sie darauf vertrauen konnte, dass ihre Freunde sie und Jeremiah und das Land retten würden, selbst wenn sie es nicht konnte.
    Hyn und die anderen versuchten weiter, ihr zu helfen, ihren Weg zu finden. Sie konnte sich ihre Schwächen nur verzeihen, indem sie auf die Stärke ihrer Freunde vertraute.
    Der weitere Aufstieg blieb mühsam, bis der Grat erreicht war. Von dort aus konnte Linden jedoch sehen, dass die Hänge nach Süden hin sanfter abfielen. Und sie hatte wieder den Landbruch im Blick. In dem merkwürdig unscharfen Tageslicht überragte er ihren gegenwärtigen Standort um über sechshundert Meter: Ein mächtiger grauer Wall, den Wind und Wetter so glatt geschliffen hatten, dass er fast unersteigbar schien. Aber sie wusste aus Erzählungen und aus eigener Erfahrung, dass der Landbruch leichter zu überwinden war, als es den Anschein hatte. Durch den Wall führten alle möglichen Auf- und Abstiege, auch wenn Linden aus dieser Entfernung keinen erkennen konnte.
    Sie studierte die Aussicht, ohne die Ungeduld der Ranyhyn zu beachten. Fast genau im Westen schoss ein nur scheinbar dünner Wasserstrahl über den Rand des Landbruchs. Vor dem grauen Fels glanzlos wie angelaufenes Silber, fiel er über mehrere Stufen in die Tiefe, wechselte häufig die Richtung, um Hindernisse zu umströmen und ließ Andeutungen von Wasserstaub in den kümmerlichen Sonnenschein steigen.
    War das der Fluss Landwanderer, der unterhalb des Wasserfalls Trümmerschwemme heißen würde? Nein, überlegte sich Linden, dazu war er zu klein. Das musste der Nebenlauf sein, von dem Stave gesprochen hatte. Am Fuß des Wasserfalls verschwand er zwischen den zerklüfteten Hügeln, die dem Landbruch vorgelagert waren. Als sein nach Osten führender gewundener Lauf wieder sichtbar wurde, war er keine Meile mehr entfernt. Dort bildete er einen kleinen See, kaum mehr als einen Tümpel, bevor er sich den Geländekonturen folgend nach Süden wandte.
    In diesem Tümpel musste Stave vergangene Nacht gebadet haben.
    Die Gesellschaft erreichte ihn, bevor ein Drittel des Vormittags verstrichen war. Einige der nach Süden abfallenden Geröllfelder waren gefährlich rutschig, über weite Strecken war der Untergrund jedoch stabil. Die erkennbar begierigen Ranyhyn steigerten ihr Tempo, und die Riesinnen begannen von der Aussicht auf reichlich frisches Wasser ermuntert zu traben. Linden behielt Jeremiah im Auge, weil sie fürchtete, er könnte vom Pferd fallen. Doch der junge Hengst achtete darauf, dass sein Reiter durch nichts aus dem Gleichgewicht gebracht wurde. Jeremiah saß auf dem Ranyhyn, als bewegte Khelen sich gar nicht.
    Linden hatte zahlreiche Fragen, die sie den Pferden nicht stellen konnte. Wieso hatten sie riskiert, so nahe an die Sarangrave heranzukommen? Wohin waren sie mit ihr unterwegs? Und warum hatten sie es jetzt so eilig, nachdem sie zwei Tage absichtlich getrödelt hatten? Trotzdem hatte sie Gründe, dankbar zu sein. Die Fürsorge, mit der Khelen auf Jeremiahs Passivität einging, war nur einer davon.
    Auf Drängen Mahrtiirs badeten Linden und die Riesinnen rasch, tranken sich satt und wuschen die schlimmsten Flecken aus ihrer Kleidung. Während die Riesinnen ein hastiges Mahl aus geräuchertem Schaffleisch, altbackenem Brot und Aliantha zu sich nahmen, ging Linden mit Jeremiah an den Tümpel und säuberte seinen Pyjama.
    Als sie fertig war, verkündete der Mähnenhüter: »Narunal hat mir unmissverständlich klargemacht, dass die Ranyhyn ihr Tempo steigern müssen.« Das klang deutlich frustriert. »Die Zeit drängt. Ereignisse oder Gefahren sind plötzlich dringend geworden.

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