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Die Pfade des Schicksals

Die Pfade des Schicksals

Titel: Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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zurück. Er spürte, wie harter Fels zersplitterte und weggespült wurde. Er hörte Klippen schreien, als sie sich an ihre Grundfesten klammerten. Er sah eine ungeheure Wassermasse, deren Schaumkamm leuchtete, als wäre er voller Sterne, hoch und höher steigen. Erschütterungen ließen die Welt beben. Aber er konnte ein Detail nicht vom anderen unterscheiden. Sie waren alle eins, alle zu gewaltig für seinen Verstand, und sie schienen blitzschnell abzulaufen. Wasser brach über die Landzunge herein; es überflutete sie, lief über die Seiten ab und rauschte weiter vorwärts. Salzige Gischt brannte in seinen Augen, bis er nicht mehr sehen konnte. Sie durchnässte seine Kleidung und spülte seine vielen Wunden aus: Trotzdem blieben Branl und Clyme starr stehen, wo sie waren. Sie glaubten anscheinend, die Reichweite des Tsunamis genau richtig eingeschätzt zu haben, sodass er sie nicht mitreißen würde.
    Covenant, der zu schwach war, um zu protestieren, lag in Clymes Armen und erwartete das Schicksal, das die Gedemütigten ihm bestimmt hatten.
    Durch die Spitze der Landzunge wurde die heranbrandende Flutwelle vor ihnen aufgespalten, sodass sie schäumend an die Klippen auf beiden Seiten donnerte. Auf der Strecke zum Glutaschenkamm wurde der Tsunami durch mehrere Hindernisse aus Granit geteilt. Als seine Gewalt erlahmte, schwappte das Wasser um die Knie der Gedemütigten. Es klatschte an die Ausläufer der Hügel. Dann begann es abzulaufen. Die Unterströmung hätte jeden mitgerissen, der schwächer war als ein Haruchai.
    Als die Zeit wieder ihren unerbittlichen Puls aufnahm, begriff Covenant, dass er überlebt hatte.
    Irgendwann konnte er wieder denken - und den Blick von dem ablaufenden Wasser wenden. Aber als er seine Gefährten betrachtete, ließ ihr nüchterner Stoizismus ihn zusammenzucken. Er erinnerte ihn daran, dass sie die Ranyhyn zurückgelassen hatten. Pfiffen die Gedemütigten, würden neue Ranyhyn kommen. Auch sie würden den Weg durch das Labyrinth kennen. Aber ihre Treue würde den Verlust von Mhornym und Naybahn nicht weniger schmerzlich machen. Auch die Notwendigkeit von Joans traurigem Ende würde sie nicht abmildern können.
    Allmählich gelang es Covenant wieder, flüchtige Augenblicke zu erfassen. In dem nur von Sternenschein erhellten Dunkel beobachtete er, wie die See zurückwich und zuletzt nur noch an die Steilküste brandete. Auf beiden Seiten der Landzunge hatten die Klippen wie Gletscher gekalbt. Noch immer brachen riesige Felsen von der Größe von Schwelgensteins Bug oder des Kevinsblicks ab und stürzten ins aufgewühlte Meer, das sie nicht einmal zur Kenntnis nahm. Und als die Wellenhöhe auf den Wert eines gewöhnlichen Sturms zurückging, war zu sehen, dass die Spitze der Landzunge verschwunden, durch die Gewalt des Tsunamis abgebrochen war. Jegliche Spur, jeglicher Überrest der ehemaligen Wohnstätte des Verächters war zusammengebrochen und weggespült worden, sodass nichts mehr an ihre frühere Existenz erinnerte.
    Clyme und Branl standen weiter wie aus Stein gehauen unbeweglich da. Covenant fragte sich eine Zeit lang, weshalb sie ausdruckslos in mürrischem Schweigen ausharrten. Dann erkannte er, dass sie auf die Ranyhyn warteten.
    Die beiden warteten auf Mhornym und Naybahn und weigerten sich, um sie zu trauern, bevor keine Hoffnung mehr möglich war.
    Selbst dann würden sie sich wahrscheinlich keinen Kummer gestatten. Sie waren Haruchai: Sie hatten getan, was sie konnten. Ihrer Auffassung nach war Trauer sogar eine Form der Respektlosigkeit. Jedes Eingeständnis eines Verlusts hätte das von den Ranyhyn gebrachte Opfer entehrt.
    Von dieser selbst beigebrachten Verletzung, die eine Folge von Rechtschaffenheit nach Art der Haruchai war, zunehmend irritiert, ließ Covenant sich von Clyme absetzen. Er stand breitbeinig da, hielt sich an Clymes Schulter fest und weigerte sich, zusammenzuklappen. Dann nahm er die Hand weg und blieb aus eigener Kraft aufrecht.
    So viel Abstand von der Kompromisslosigkeit der Gedemütigten brauchte er mindestens. Das erforderte seine eigene stumme Klage.
    Allmählich wurde ihm bewusst, dass bald ein neuer Tag anbrechen würde. Die Helligkeit im Osten war noch so gering, dass er sich seiner Sache nicht sicher sein konnte. Trotzdem interpretierte sein schwacher Gesundheitssinn die Dunkelheit. Seine restlichen Nerven versicherten ihm, diese Nacht sei fast vorüber.
    Vielleicht würden die Gedemütigten sich bei Sonnenaufgang endlich bereitfinden, den

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