Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
was man ihm von mir erzählt hatte, jedenfalls vergesse ich den Augenblick nie, in dem mir mein lieber Pontillus die Schrift aus dem Palatin überbrachte, in der ich mit dürren Worten aufgefordert wurde, mich binnen vier Wochen ins Exil nach Gallien zu begeben.
Bei allen Göttern! Verbannung! Wofür? Weshalb? Weil ich meine Pflicht erfüllt hatte? Oder rächt so der Gekreuzigte sein Urteil? Ich legte Einspruch ein, fragte nach Gründen. Keine Antwort, das Urteil blieb.
»Wenn ich an jene Nacht denke, die mir die letzte in Rom war, quellen auch heute noch Tränen aus meinen Augen ...« So hatte mein Schicksalsgenosse Ovid einst das Leid beschrieben, das er bei seinem Abschied aus Rom empfand – und ebenso wenig wie er kannte ich den Grund für meine Relegatio. Das macht das Leid umso größer ...
Oh, ich kannte Gallien gut genug von meiner damaligen Zeit. Von barbarischer Hitze im Sommer gequält und gnadenloser Kälte in den langen, dunklen Nächten des Winters. Vienna, Barbarenstadt am Rhodanus, eine Ansammlung hölzerner Hütten, ohne Thermen, ohne Forum, ohne Circus. Fremdländische Gesichter, kehlige Laute, finstere Mienen begegnen mir, dem verbannten Eindringling. So mag sich der arme Ovid im barbarischen Tomi gefühlt haben oder der große Cicero im fernen Macedonia, wenn dies auch der Kultur schon näher lag.
Diese beiden großen Männer hatten den Schmerz der Verbannung gekostet, hatten aus dem bitteren Becher der Einsamkeit getrunken, Ovid gar bis ans Ende des Lebens. Oh, wie konnte ich den Schmerz dieser großen Männer fühlen, wühlte doch ein gleicher Schmerz wie ein Dolchstoß in meinem gepeinigten Herz.
Der Rest bedarf kaum der Worte. Ich schenkte mein väterliches Haus dem treuen Verwalter, dem bittere Tränen beim Abschied rannen, sagte den wenigen Freunden, die mir die Umstände gelassen hatten, Lebwohl, packte das Wenige, was mir geblieben war, und verließ Rom, wohl wissend, dass ich es wohl nie wieder betreten würde! Nur der getreue Pontillus war mein Gefährte.
So lebe ich jetzt hier seit zwei Jahren. Was tröstet es mich, dass vor kurzem auch Herodes Antipas nach Gallien verbannt wurde, garnicht weit von hier, ein köstlicher Scherz Fortunas. Aber die Zeiten, in denen ich mich Fortuna unterwarf, sind vorbei. Gleich wird mir Pontillus einen letzten Dienst erweisen und mir die Phiole mit dem bläulichen Saft reichen. Zwar versuchte er mit aller Energie, die ihm das Alter noch gelassen hat, mir meinen Plan auszureden, doch vergeblich. Ich mag so nicht mehr leben! Ist es nur die Verzweiflung über die Düsternis der Verbannung, oder ist es die Schuld, die in mir nagt, bei Tag und Nacht? Schuld und Zweifel. Habe ich damals richtig gehandelt, als ich den Richtspruch unterzeichnete? Hatte ich überhaupt eine andere Möglichkeit? Ich sehe die geifernde Menge vor mir, wie ich es oft auch im Traum tue. Wie sie den Tod des Predigers fordert, mir droht. Ich hatte ihnen doch angeboten, jenen Mann freizulassen, aber die Menge wollte nicht hören. Wusch ich nicht meine Hände im Wasser der Unschuld? Aber es hat mir nichts genutzt. Vielleicht hätte ich damals auf Claudia hören sollen, hätte den Zweifeln, die ich an der Schuld jenes Jesus von Nazareth hatte, nachgeben sollen. Hätte ich dann die Wahrheit gefunden?
Was ist Wahrheit?
Ich weiß es nicht, wohl weiß ich die Antwort, die mir Claudia gegeben hätte oder mein treuer Cornelius. Manchmal meine ich, die Götter im fernen Olymp hätten sich gegen mich verschworen, um meinen Stolz zu brechen. Eine Verschwörung? Nun, dann ist sie jedenfalls gelungen, und die Götter mögen über ihr Werk glücklich sein.
Und wie wirst du, Nachwelt, über mich richten? Wirst du mich den Henker von Judäa nennen, den Gottesmörder? Oder wirst du anerkennen, dass ich als einer der Wenigen Zweifel an der Schuld des Mannes hatte und ihn lieber verschont hätte?
Mögen die Götter mir gnädig sein, oder doch der eine, den ich ans Kreuz schlagen ließ.
Jetzt mag Pontillus den Stilus beiseite legen, denn mein letztes Werk ist vollendet:
Das Testament des Pontius Pilatus
XXXXXII.
Fünf Wochen waren seit jenen Ereignissen vergangen. In Köln warf der Karneval erste erschreckende Schatten voraus, und der Winter hatte Köln fester denn je im Griff. Seit zwei Wochen lag Köln unter einer geschlossenen Schneedecke, das war im Rheinland eher selten.
Der Polizeipräsident höchstpersönlich hatte geladen und eine illustre, bunt gemischte Runde war seiner
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