Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)
nicht in die Holzbehälter. Dann bringst du sie in den Keller, wo die Amphoren stehen. Die hinteren beiden Amphoren sind leer und sauber. Versiegle die Rollen gut und verstecke sie in den Amphoren, je vier in ein Gefäß, dann versiegelst du die Gefäße ebenfalls. Über die Amphoren legst du Stroh und Holz. Mithilfe Gottes mögen sie den Ansturm der heidnischen Barbaren überleben. Wenn es uns vergönnt ist, hierhin zurückzukommen ...«
Er beendet den Satz nicht und wendet sich mit leerem Blick ab. Voller Wehmut streift er über die anderen Buchrollen, die er zurücklassen muss. Ein flüchtiges Kreuzzeichen, dann verlässt er den Raum, während sich Arimius sofort an die Arbeit macht.
Wie alle Gutshöfe dieser Zeit verfügt auch der Hof des Solvenius über eine Anlage von mehr als zwanzig Tonamphoren, die tief in den Boden des Kellers eingegraben sind. Hier, in der feuchten Kühle der lehmigen Erde, ruhen gewöhnlich Wein und Vorräte geschützt vor den Strahlen einer sengenden Sonne. Nun aber, im Winter, sind die Amphoren schon zum Teil leer, und so füllt der Alte zwei von ihnen in Windeseile mit den genannten Papyrusrollen, nachdem er sie sorgsam in Lederbeutel gesteckt und diese mit heißem Pech versiegelt hat. Er weiß, wie wichtig diese Schriften für seinen Herrn sind, seit der sich vor mehr als dreißig Jahren dem Glauben der Christiani angeschlossen hat. Einen Augenblick verharrter, und seine Züge nehmen einen verklärten Ausdruck an. Der neue Glaube bedeutet ihm alles, erst recht jetzt, wo er wohl bald die letzte Wahrheit persönlich erfahren wird. Mögen auch die wenigen Freunde, die ihm die Zeit noch ließ, es mehr mit Teutates, Epona und den anderen alten keltischen Göttern halten, er weiß es besser.
Rasch verschließt er die Köpfe der Amphoren und bedeckt sie sorgsam mit Stroh und einigen Holzstücken. Er will sich schon abwenden, doch mit einem Male strafft sich seine dürre Gestalt. Er hat eine Entscheidung getroffen, und das feine Lächeln, das über die dünnen Lippen zieht, zeigt, dass es die richtige ist: Er wird diese wichtigen Schriftstücke nicht im Stich lassen. Er wird sie bewachen und, wenn es sein muss, mit seinem Leben verteidigen. Er setzt sich auf einen wackligen alten Stuhl und legt den Kopf auf die Arme. Auf den Tisch legt er eine Goldmünze, einen Solidus, seinen wertvollen Glücksbringer, den er vor Jahren mitten auf einem Acker gefunden hat. Seine Finger spielen mit dem silbernen Anhänger, den er um den Hals trägt. Arimius steht darauf, und sein Herr hat ihm dieses kleine Schmuckstück vor vielen Jahren zur Freilassung geschenkt, sein Herr, den er liebt und für den er alles tun würde. Und jetzt wird er die Rollen seines Herren vor den Barbaren schützen.
Aber wahrscheinlich werden die Heiden ihn im Keller gar nicht entdecken. Und wenn doch ...? Er steht auf und verschließt sorgsam die Kellerluke. Dann verkeilt er sie von unten mit einem schweren Stock. Und die da oben werden den alten Mann wohl kaum vermissen, zu beschäftigt sind sie damit, ihr eigenes Leben zu retten. Wenn sie zurückkommen, werden sie ganz schön überrascht sein, ihn hier zu finden. Dankbar werden sie ihm sein, wenn sie zurückkommen. Wenn sie zurückkommen ...
Aber die Familie wird nie mehr auf den Gutshof zurückkehren, der schon Stunden später unter dem infernalischen Geheul der Franken in Flammen aufgeht.
Seit der fränkische König Silvanus, der sich selbst zum Cäsar ausrufen ließ, nach üblem Ränkespiel auf Befehl von Constantius II. unter den Dolchen gedungener Mörder gefallen ist, haben die Franken den mächtigen Strom überschritten und befinden sichauf ihrem mörderischen Rachefeldzug. Und nun nähern sie sich mit Furcht erregendem Geschrei jener Stadt, die vor dreihundert Jahren unter Kaiser Claudius auf Drängen seiner Ehefrau Agrippina zur Provinzstadt erhoben wurde.
Golden noch glänzt auf den Stadttoren im rastlosen Fackelschein der Angreifer der Name der stolzen Stadt: CCAA.
Doch schon prallen die ersten Rammböcke auf das harte Holz der Tore ...
I.
Höre, Nachwelt, damit du weißt, wessen Zeilen du liest. Ich bin jener, durch dessen Urteil ein Mann zu Tode kam, vom dem viele behaupten, er sei der Sohn eines Gottes gewesen. Ob ich mit meinem Spruch gefehlt habe, mögest dereinst du oder ein gnädiger Richter entscheiden, ich weiß es nicht! Was ich tat, tat ich aus Pflichtüberzeugung gegenüber meinem Kaiser und meinem Volk.Und doch quält mich bei Tag und Nacht der
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