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Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Die Pilatus-Verschwörung (German Edition)

Titel: Die Pilatus-Verschwörung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf D. Sabel
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weitere Gegenstände aus dem Tross. Es gelang uns, uns zu einer Hochfläche durchzukämpfen, die unbewaldet war und einen weiten Blick nach allen Richtungen gestattete. Wenn ich sage »uns«, so meine ich den ersten Teil des Heereszuges, denn es war den Germanen gelungen, den Zug in zwei Teile zu spalten, und wie es dem hinteren Teil ergangen sein mochte, darüber wagten wir kaum nachzudenken.
    Wir ordneten unsere Verbände und marschierten, ohne dass die Barbaren uns angegriffen hätten. Hier, auf freiem Gelände, wagtensie es nicht, und sie wussten auch, warum. Zu gut war dem verräterischen Arminius unsere Überlegenheit auf offenem Gelände bekannt. Auch das Wetter hatte sich gebessert, wenn auch tiefschwarze Wolken am Himmel wenig Gutes verhießen.
    Am nächsten Tag mussten wir die Hochebene wieder verlassen. Dunkel und drohend lag ein weiteres Waldstück vor uns, und vielen von uns kehrte der kalte Schweiß auf die Stirn zurück. Erneut – als hätten es die Barbaren beeinflussen können – fielen Sturm und Sturzregen mit elementarer Plötzlichkeit über uns her, sodass die Wege kaum noch passierbar waren.
    Und wieder kamen sie mit ihrem Schlachtgeheul, beschossen uns aus sicherer Deckung, fielen zuerst über die Nachhut her, dann über die anderen Truppen. Die Reiterei nutzte uns rein gar nichts, in panischer Angst tänzelten die Pferde auf den engen Wegen. Auch unsere schweren Schilde nutzten uns nichts, denn sie waren von Pfeilen und Nässe schwer und behinderten unsere Arme mehr, als dass sie schützten. Die Germanen griffen an und zogen sich zurück, ständig wiederholte sich dieses teuflische Spiel. Setzten wir ihnen nach, schlugen wir ins Leere oder, schlimmer noch, die ausgesandten Truppen kamen nie mehr zurück. Während wir vorne noch kämpften, plünderten hinten die Germanen schon unsere Toten und vergewaltigten unsere Weiber, so berichteten Reiter mit schreckensgeweiteten Augen.
    Ich weiß nicht, wie viele Germanen ich zu diesem Zeitpunkt schon mit meinem blutnassen Schwert niedergemacht hatte. Lodernder Hass führte mein Schwert, und er führte es gut. Mars selbst schien mich zu beflügeln, wenn ich auf ihre ungeschützte haarige Brust einhieb, mit wuchtigem Schlag die Glieder vom Leib trennte oder mein Schild auf ihre ungepflegten Köpfe niedersausen ließ. Bis auf eine kleine Armwunde und eine blutende Schramme am Bein war ich unverletzt geblieben und feuerte meine Männer mit heiserer Stimme an. Ich achtete wie meine Kameraden nicht auf Hunger und Durst, und die ständige Müdigkeit war längst einem Rausch von Blut und grausamer Besessenheit gewichen. Überkam mich ein menschliches Bedürfnis, so vollzog ich es im Kampfe, ohne der Folgen zu achten. Dieser Kampf kannte keine Würde, nur Überleben.
    Man hat mir später in Judäa meine Grausamkeit vorgeworfen. Zu diesem Vorwurf werde ich noch kommen, aber wenn es denn so seinsollte, dann waren die Germanen des Arminius meine besten Lehrmeister!
    Was soll ich den furchtbaren Kampf, den man uns tückisch aufgenötigt hatte, in all seinen Einzelheiten schildern? Wir kämpften, wie es römische Legionäre zu tun pflegten, und wir kämpften nicht für Augustus oder das Reich, sondern um unser nacktes Leben. Aber um mich herum sanken sie dahin, schon längst war der Adler unserer Legion in blutgetränkter feindlicher Hand. Wir waren völlig umzingelt, langsam ließ unsere Gegenwehr nach, die Arme wurden schwer und die Augen leer.
    Da erreichte uns eine Nachricht, die furchtbarer nicht hätte sein können: Unser Oberbefehlshaber Varus und fast alle seine Stabsoffiziere hatten sich mit eigener Hand den Tod gegeben. Sie zogen den kurzen Streich ihres eigenen Schwertes den Qualen vor, die die Sieger sich für ihre Feinde vorgenommen hatten.
    Hatten sich nicht in den beiden vorigen Nächten die Gerüchte von furchtbaren Folterungen herumgesprochen, die die Germanen an den Gefangenen, zumal wenn sie Offiziere waren, vollzogen hatten? Wir hatten selbst die entsetzlichen Schreie gehört, als sie einigen Prätoren die Augen ausstießen, bevor sie auf den Opferaltären der Barbaren verbrannt wurden.
    Bei allen Göttern, ich selbst hatte Tribunen und Centurionen gesehen, die sie mit Lanzen an Bäume genagelt oder auf hastig zusammengezimmerten Stämmen gekreuzigt hatten. Und die unmenschlich verzerrten Gesichter hatten Zeugnis davon abgelegt, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch gelebt haben mussten ...

VI.
     
    Wenn man sich einen pensionierten Oberstudienrat

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