Die Plantage: Roman (German Edition)
Engländer deine Plantage verwüstet?«
»Das spielt jetzt keine Rolle«, sagte Antonia nervös. »Verstehst du denn nicht, ich kann ihn nicht einfach seinem Schicksal überlassen, es verstieße gegen das Gebot der Menschlichkeit.«
»Menschlichkeit!« Vier Federn schnaubte. »Was wissen die Leute nach sechs Jahren Krieg noch von Menschlichkeit? Dieser Engländer ist dein Feind, Antonia.«
Sie legte die Pfeife beiseite, und als hätte sie ihre Besucherin vergessen, schloss sie die Augen. Sacht schwang der Schaukelstuhl vor und zurück, vor und wieder zurück. Antonia spürte, wie die Zeit zerrann, und wollte die Hoffnung schon aufgeben, als ihr plötzlich ein neuer Gedanke kam. Beiläufig, als würde sie nur laut denken, sagte sie: »Ich könnte natürlich die schwarzeZauberin um Hilfe bitten. Es heißt, sie bereite Heiltränke für ihre Leute.«
»Bist du verrückt geworden?«, knurrte Vier Federn. »Die Voodoo-Frau ist unberechenbar! Am Ende macht sie aus deinem Soldaten einen dieser lebenden Toten.«
Antonia hielt ihrem strengen Blick stand, ein stummes Kräftemessen, bis sich Vier Federn endlich erhob und die irdenen Krüge, in denen sie ihre Heilmittel aufbewahrte, zusammentrug.
Die Abendsonne vergoldete das Laub der Steineichen, die vor fast einhundert Jahren entlang der Auffahrt zum Herrenhaus gepflanzt worden waren. Ein langer Tag ging zu Ende. Im Küchenkamin glomm unter der Asche noch ein Rest Glut. Antonia warf einen Armvoll Brennholz darauf und ließ sich in einen Stuhl sinken. Sie war am Ende ihrer Kräfte. Sie hatte getan, was sie tun musste, um das Leben eines Fremden zu retten, dessen bloße Anwesenheit sie in Gefahr brachte. Doch sie war viel zu erschöpft, um sich darüber Sorgen zu machen. Vier Federn kam aus dem Nebenraum herein. Sie schürte das Herdfeuer und bereitete Tee in einer Blechkanne, die sie zusammen mit zwei Tassen auf den Tisch stellte. Dann zog sie sich einen Stuhl heran.
»Wir müssen reden«, sagte sie und schenkte den Tee ein. »Bist du noch wach?«
Was für eine Frage! Seit Sonnenaufgang hatte Antonia das Feuer im Herd nicht mehr ausgehen lassen. Kessel um Kessel hatte sie Wasser abgekocht und in den angrenzenden Schlafraum geschleppt. Sie hatte ihre Damasttischdecken vom Herrenhaus geholt, in Streifen geschnitten und zu Verbänden gerollt, um sie als blutgetränkte Stofffetzen später im Herdfeuer zu verbrennen. Müde trank sie einen Schluck Tee und nickte ergeben.
»Nun gut«, begann Vier Federn. »Es war ein hartes Stück Arbeit, diesen Mann wieder zusammenzuflicken. Ich habe seineVerletzungen behandelt, aber du wirst ihn noch wochenlang pflegen müssen. Glaub nicht, es wäre leicht, einen derart schwer verletzten Mann rund um die Uhr zu versorgen. Du musst seine Verbände wechseln, die Wunden sauber halten, ihn ernähren und waschen. Und wenn die Schmerzen ihn rasend machen, musst du auch das mit ihm durchstehen. Traust du dir das zu?«
»Ich denke schon«, sagte Antonia. »Er wird es doch schaffen, oder?«
»Ich bin mir nicht sicher. Er hat viel Blut verloren. Dazu kommt ein offener Bruch am rechten Unterschenkel, es könnte Wundbrand entstehen. Du weißt, was das bedeutet.«
Antonia nickte, ihr schauderte beim Gedanken an eine Amputation.
»Es sind auch einige Rippen gebrochen«, fuhr Vier Federn fort. »Quetschungen, Blutergüsse, eine Schusswunde im rechten Oberarm, die sich entzündet hat. Der Kratzer an der Schläfe, den du ihm verpasst hast, ist harmlos.« Sie machte eine Pause, bevor sie weitersprach: »Dann hat er noch diese seltsamen Verletzungen, gleichförmige, flach unter der Haut geführte Schnitte, wie vom Häuten. Sie verlaufen über seine Brust bis hinunter zu den Leisten. Es wurde eine breite Klinge benutzt, vielleicht ein Jagdmesser oder ein geschliffener Dolch. Er sollte wohl langsam sterben. Erstaunlich, dass er solche Martern überlebt hat.«
Beim Zuhören wurde es Antonia immer elender. Sie fragte sich, wer einem Menschen so etwas antun konnte. Ganz gleich, was der Mann getan hatte, niemand verdiente diese Art der Vergeltung!
»Er hat jetzt keine Schmerzen«, sagte Vier Federn, die ihre Erschütterung bemerkte. »Dank des Stechapfelsaftes wird er ein paar Stunden schlafen.« Sie reichte ihr eine kleine verkorkte Flasche. »Wenn er aufwacht, gib ihm hiervon einen oder zwei Tropfen, nicht mehr.«
»Du willst mich mit ihm allein lassen?«
»Im Augenblick kann ich nichts mehr für ihn tun. Sieh zu, dass er viel trinkt, Tee oder Wasser mit
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