Die Plantage: Roman (German Edition)
ihn in den unversehrten Teil des Raumes geschoben, um sich hier mit einem Berg unerledigter Post niederzulassen.
Eine Bibliothek unter freiem Himmel – was für eine Ironie! Vor ihren Augen wurde nach und nach zunichte, was für ein paar Jahre das Herzstück ihres Lebens gewesen war; wurde zunichte wie ihre Vorstellung von einer besseren Welt. Sie wusste, es war falsch, so zu denken, jetzt, da sich das Blatt endlich wendete und wieder Hoffnung bestand. Sie würden den Krieg gewinnen, die Ideale, an die sie immer geglaubt hatte, würden dem Land endlich den Frieden bringen. Enlightenment – die Aufklärung! In Europa erdacht, würde sie in Amerika Früchte tragen, diese Erleuchtung des Geistes, die auch Antonia wie so viele andere Menschen inspiriert und gelehrt hatte, freiheitlich zu denken.
Henry hatte sie deswegen geliebt. Er hatte ihren Enthusiasmus bewundert, ihren Glauben an ein Gesellschaftskonzept der Freiheit und Menschlichkeit bestärkt und seine Visionen mit ihr geteilt. Und sie hatte ihn geliebt, vielleicht mehr, als sie einen so leidenschaftslosen Mann hätte lieben sollen. Niemand war ihr je so nah gewesen. Wie hatten sie sich nur entfremden können? Mit dem Niedergang der Plantage fing es an. Henrys anspruchsvolle Projekte, seine Misswirtschaft und ein unbekümmerter Lebensstil hatten sie innerhalb weniger Jahre ruiniert. Antonia machte ihm nie einen Vorwurf, doch ihre Enttäuschung blieb ihm nicht verborgen. Er konnte es nichtverwinden, in ihren Augen versagt zu haben. So begann er, ihr aus dem Weg zu gehen, suchte Bestätigung in fragwürdiger Gesellschaft und militärischen Abenteuern; dabei fand er den Tod.
Sie seufzte und legte den Brief ungelesen zu den übrigen Papieren, größtenteils unbezahlte Rechnungen oder Mahnungen, auch Gebote von Spekulanten, die zu Schleuderpreisen Plantagenland aufkauften, das die Grundbesitzer nicht mehr bewirtschaften konnten. Manche, die sich für ihr Anwesen interessierten, kannte sie gut, es waren Nachbarn, früher Freunde von Henry, die mit ihm zur Jagd geritten und in ihrem Haus zu Gast gewesen waren. Jetzt, nach seinem Tod, schienen sie nur darauf zu warten, dass Antonia ihnen die alte Plantage am Plains River überließ.
Das alles war wenig ermutigend. Dennoch, sie hatte den Krieg überlebt, nur das zählte! Sie hatte sich in Sicherheit gebracht und gewartet, bis die Soldaten weiterzogen und der Sturm vorüber war. Nun war sie zurückgekehrt, um ihr Haus wieder aufzubauen und die Felder instand zu setzen. Sie würde alles daransetzen, die Plantage zu behalten. Niemals, das hatte sie sich geschworen, würde sie ihr Land irgendwelchen Kriegsgewinnlern überlassen. Entschlossen schob sie alle Papiere zusammen und legte den Packen in ein Schubfach des Schreibtischs.
Da war es wieder! Diesmal war sie ganz sicher, etwas gehört zu haben. Sie trat an eine Fenstertür und horchte. In der Dunkelheit draußen war nichts zu erkennen, aber sie konnte jetzt deutlich ein Geräusch von den gewohnten Lauten der Nacht unterscheiden: Schleppende, schwere Schritte, die sich dem Haus näherten, für einen Augenblick auf Höhe des Eingangs verhielten, um sich dann den Hang hinunter zum Wirtschaftshof zu entfernen. Ein Pferd! Vermutlich lief das Tier seiner Nase nach geradewegs zu den Stallungen. Nicht viele Pferde hatten den Krieg überlebt, auch dieses schien am Ende seinerKräfte zu sein. Sie sollte versuchen, es einzufangen, für die Arbeit auf den Feldern würde sie jedes Zugtier brauchen.
Die Nacht duftete nach Jasmin, als sie mit einer Laterne in der Hand aus dem Haus trat und die neunzig Yards zum Wirtschaftshof ging. Früher standen in ihren Stallungen zwei Dutzend Arbeitspferde, dazu einige erstklassige Karossiers und die Reitpferde der Lorimers. Doch die Rotröcke hatten die besten Pferde gestohlen, und später hatten die Continentals alle noch verfügbaren Tiere requiriert. Seit Monaten war das Stallgebäude verlassen.
In dem offenen Doppeltor hob sie die Laterne über ihren Kopf und spähte ins Innere. Sie hörte leises Schnauben, das Scharren von Hufen, und trat ein. Im Lichtschein entdeckte sie die große, massige Gestalt des Pferdes, gesattelt und aufgezäumt stand es bei einem leeren Stallabteil, wo es in der staubigen Spreu nach Futter gesucht hatte. Nun hob es den Kopf. Der Lichtschein spiegelte sich in seinem goldenen Auge.
»Ruhig, mein Großer, alles ist gut«, sagte sie sanft und ging näher.
Es war ein eindrucksvolles Tier, ein Hengst von
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