Die Plantage: Roman (German Edition)
liegen, sich ausschließlich um sein Vermögen sorgt.«
Peinliches Schweigen. Es schien, als sei Hocksley die Macht, die er mit dem Bell’schen Erbe an sich gebracht hatte, zu Kopfe gestiegen, dass er gar so selbstherrlich tat. Antonia wusste indessen, es ging um weit mehr: Als Vorstand des Planters Club führte Hocksley die einflussreiche Pflanzerlobby an, die das Handelsgeschehen im Lowcountry weitgehend kontrollierte. In dieser Funktion, natürlich auch im eigenen Interesse, hatte er Reeds Aufstieg genau beobachtet. Nachdem Reed mit gutem Geschäftssinn nach und nach den Landbesitz von Loyalisten, die die Kolonien verlassen mussten, aufgekauft und zu einer riesigen Plantage verbunden hatte, verfügte er über Anbauflächen, von denen andere nicht einmal zu träumen wagten. Würde die Arbeit auf den Feldern erst wieder aufgenommen, würde Reed auf seiner Plantage Hollow Park Reis und Baumwolle in einer Größenordnung produzieren, mit der andere Pflanzer nicht konkurrieren konnten. Vor diesem Hintergrund musste er Hocksleys Bemerkung als klare Kampfansage verstehen.
Allem Anschein nach wollte Reed sich jedoch nicht provozieren lassen. Mit feinem Lächeln verneigte er sich gegen denGastgeber, als wäre ihm ein Kompliment gemacht worden; eine souveräne Geste, die unter den Gästen die Befangenheit löste und die Unterhaltung wieder aufleben ließ.
Der Vorfall war bald vergessen, nur Antonia wollte es nicht so hingehen lassen. »Wie charmant, Mr. Reed, und wie überaus klug! Sie sind nicht nur ein Held, Sie beherrschen offenbar auch die Kunst der Diplomatie. Oder sind Sie nur opportunistisch?«
Reed nahm ihre Stichelei gelassen hin. »Ihr Schwager führt gern das große Wort«, sagte er. »Offenbar ist er so sehr von sich eingenommen, dass er glaubt, er könne die Spielregeln unseres Geschäfts bestimmen.«
»Er bestimmt sie nicht nur, er verändert sie auch zu seinen Gunsten, wie es ihm gerade passt. Hocksley hält den Handelsplatz Charles Town fest in seinen habgierigen Händen. Nur wer nach seiner Pfeife tanzt, kann in Frieden seinen Geschäften nachgehen.«
»Sie sprechen aus Erfahrung?«
»So könnte man sagen. Hocksley hat alles darangesetzt, uns zu ruinieren. Hat Henry Ihnen das nicht erzählt?«
»Nein, Madam. Ihr Mann hat nicht versucht, seinen Misserfolg als Pflanzer zu beschönigen oder anderen die Schuld zu geben. Er sprach kaum von der Plantage, wenn wir zusammen waren.«
Antonia rückte unmerklich von ihm ab. Sie hatte ihre Vorbehalte gegen ihn, es gab etwas, das sie nicht vergessen konnte: Reeds Eskapaden mit seinem Intimus, einem zwielichtigen Kreolen, hatten Henry auf fatale Weise fasziniert. Sie wusste bis heute nicht und wollte es auch nicht wissen, wie ihr diese beiden den Ehemann entfremden konnten. Aber der Umgang mit dem sonderbaren Freundespaar hatte Henry verändert; das machte sie Reed zum Vorwurf. Vielleicht, dachte sie, könnte Henry noch am Leben sein, wenn er ihm nicht begegnet wäre.
Reed deutete ihr Schweigen auf seine Weise: »Bitte verstehen Sie mich richtig, ich meinte lediglich, dass Henry nicht viel über die Arbeit auf der Plantage redete. Von Ihnen, Madam, hat er oft gesprochen, wenn auch bei Weitem nicht oft genug …«
»Henry ist tot, Mr. Reed«, versetzte sie kühl. »Versuchen Sie etwa, der Witwe Ihres Freundes den Hof zu machen?«
»Verzeihen Sie, ich dachte, deswegen hätte man mich eingeladen.«
»Was fällt Ihnen ein!«
Ihr Ausruf ließ die Tischnachbarn interessiert aufblicken.
Reed lächelte, neigte sich zu ihr und sagte: »Madam, bitte korrigieren Sie mich, falls ich mich geirrt habe, aber es war nicht zu übersehen, wie Ihre Schwester uns den ganzen Abend mit wohlmeinenden Blicken bedacht hat. Anscheinend erwartete man von mir, dass ich mit Ihnen flirte. Ehrlich gesagt glaubte ich, auch Sie! Ich habe mein Bestes gegeben, leider ohne rechten Erfolg, wie ich sehe.«
Antonia starrte ihn entgeistert an. Sie hatte sich den ganzen Abend reserviert verhalten, wie konnte er sie derart missverstehen? Allein, dass er die Dinge so unverblümt beim Namen nannte, war ein Affront. Ohne ein weiteres Wort stand sie auf und verließ den Saal.
Draußen ging sie unter den Kolonnaden auf und ab und atmete die kühle Luft, die von den Rasenflächen aus dem dunklen Garten aufstieg, tief ein. Als sie sich wieder beruhigt hatte, setzte sie sich in einen Korbsessel. Den Kopf ins Polster zurückgelegt, beobachtete sie den Tanz der Nachtfalter um die gläsernen Laternen, die
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