Die Plastikfresser
dankbar an. Als Mann von beschränktem Einfühlungsvermögen hatte ihn die plötzliche Opposition gegenüber einer – wie er es sah – reinen Verfahrensangelegenheit aus dem Gleichgewicht gebracht.
»Also gut«, sagte Anne. Sie nahm bedächtig ihre Brille ab und klappte sie zusammen. Der Teufel soll dich holen, dachte Gerrard, mußt du deinen kleinen Augenblick so sehr auskosten? Mach’ schon weiter!
»Nach allem, was wir heute hier gehört haben, bin ich der Ansicht, daß ich die Bewerbung von Dr. Gerrard unterstützen muß.«
In dem Schweigen, das ihren Worten folgte, schüttelte Wright den Kopf, als könnte er seinen Ohren nicht trauen. Gerrard saß wie betäubt da. Dann fand Wright seine Stimme wieder und sprang auf: »Das kann ich nicht glauben … Das kann ich nicht hinnehmen … Um Gottes willen – warum?«
Anne wich seinem Blick aus. Wrights Zurückhaltung war verschwunden, er brach fast in Tränen aus.
»Weil ich eine völlig andere Vorstellung von der Leitung dieses Unternehmens habe als Sie«, sagte Anne ruhig.
»Aber wieso? Ich kann einfach nicht verstehen …« Wright begann zu schreien.
»Mein Mann hat diese Firma sehr autoritär geführt. Er konnte sich das leisten. Er war … Arnold Kramer. Er hatte die Firma gegründet. Aber das hatte auch bedenkliche Nachteile und ich bin der Meinung, daß Dr. Gerrard das Problem sehr klar umschrieben hat. Wir tun einfach nicht mehr, was er sich eigentlich zu tun vorgenommen hatte. Unsere Ideale haben …«
»Ideale!«
»Ja, das stimmt. Wir hatten einmal Ideale, Mr. Wright!«
»Ich kann das nicht hinnehmen … Und ich arbeite nicht mit diesem …« Wright zeigte mit bebendem Finger auf Gerrard, »… mitdiesem Menschen. Ich warne Sie, Mrs. Kramer, Sie zwingen mich zur Kündigung, und wie Sie sehr wohl wissen, besitze ich die Patente für Aminostyren und Degron.«
Anne drehte sich um und sah ihn voll an. »Ja«, sagte sie leise.
Wright stockte. »Sie sind also bereit, darauf zu verzichten?«
»Ich will darauf verzichten. In gewisser Weise sind diese Produkte schuld am Tod meines Mannes, sie haben beinahe mich selbst und Dr. Gerrard umgebracht und uns nichts als Mißkredit eingebracht. Ich möchte reinen Tisch machen und wieder sauber anfangen.«
»Gut gesagt«, pflichtete Buchan bei.
Scanion lehnte sich nervös vor: »Aber diese Produkte bilden fast ausschließlich die finanzielle Grundlage des Unternehmens.«
»Kleiner Denkfehler«, sagte Buchan. »Die Lizenzen für Degron sind im Namen der Firma abgeschlossen worden, nicht in Ihrem Namen, Mr. Wright.«
Wright stieß seinen Stuhl zurück: »Es würde mich sehr interessieren, was Sir Harvey zu alldem zu sagen hat.«
Sir Harvey zuckte die Schultern: »Mrs. Kramer ist die Hauptaktionärin, die letzte Entscheidung liegt also bei ihr. Mein Hauptanliegen besteht darin, den Fortbestand der Amortisation aus unserer Investition sicherzustellen.«
»Dann ist es unvermeidlich, daß ich gehe.« Wright stand auf und blickte Scanion fragend an, aber Scanion mied seinen Blick und sah starr Sir Harvey an.
»Wenn Sie in Zukunft mit mir in Verbindung treten wollen, müssen Sie sich an meine Anwälte wenden«, sagte Wright schrill, drehte sich um und verließ mit steifem Hals und aller Würde, die er noch aufbringen konnte, den Raum. In diesem Augenblick empfand sogar Gerrard Mitleid mit ihm. Trotz seiner stolzen Haltung – oder vielleicht gerade deswegen –, wirkte Wright plötzlich alt; er war ein gebrochener Mann.
Anne ergriff das Wort: »Sie sind zum Direktor dieses Unternehmens gewählt worden, Dr. Gerrard. Nehmen Sie die Wahl an?«
Er spürte die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich gerichtet. Er brauchte einen Augenblick, bis er sprechen konnte: »Nun … Ja. Ich glaube, ja.« Seine Worte klangen lahm, selbst ihm klangen sie so, und er sah eine Spur von Enttäuschung über Annes Gesicht huschen.
Dann begriff er endlich. Er war der neue Chef. Alle erwarteten von ihm, daß er die Initiative ergriff. Wrights Abgang hatte sie alle erschüttert. Er mußte die Leute beruhigen, ihnen einen positiven Weg zeigen, dem sie folgen konnten.
Anne erhob sich von ihrem Stuhl. »Da wir nun einen neuen Direktor haben, steht mir dieser Platz nicht mehr zu. Würden Sie bitte den Vorsitz übernehmen, Dr. Gerrard?«
Gerrard nickte, stand auf, versuchte, Zuversicht zu verbreiten,
die er selbst nicht empfand, und übernahm den freigewordenen Stuhl.
Er blickte über den Tisch. »Meine Herren, wir haben eine
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