Die Porzellanmalerin
Gastgeberpflichten zu erfüllen und mit jedem Geladenen ein paar Worte zu wechseln, kam sie mit dem Weinbauern ins Gespräch. Wilhelm Schadt hatte seine Unterhaltung mit Per Hansen beendet und sich der Frau Rat, der Apothekersgattin und Cousine Sophie zugesellt, die sich vor dem Kachelofen zusammengefunden hatten.
»Der Rheingau, man hört ja einiges über diese Gegend … Es muss wunderschön dort sein, habe ich mir sagen lassen. Wo liegt das eigentlich genau?«, fragte sie neugierig.
»Der Rheingau ist in der Tat ein Paradies, meine Liebe.« Herr Schadt lächelte nachsichtig, weil Friederike offenbar so wenig über seine Heimat wusste. »Nicht, dass es hier bei Ihnen in Meißen nicht auch herrlich wäre, aber der Rheingau, dort ist der Süden, dort sind Sonne, Wärme, Licht!« Sein Gesicht strahlte, er wirkte aufrichtig begeistert. »Ich komme aus Walluf«, fuhr er fort, »auch ›die Pforte des Rheingaus‹ genannt, müssen Sie wissen. Ein winziger Ort, direkt am Rhein, und gleich dahinter geht es steil die Hänge hinauf: ein Weinberg neben dem anderen, so weit das Auge reicht. Von Walluf bis zur Mainmündung, also bis nach Mainz, ist es nicht weit. Ich fahre diese Strecke am liebsten mit dem Schiff. Wenn ich nach Leipzig zur Messe reise, um dort meinen Wein zu verkaufen, nehme ich meistens ab Mainz die Postkutsche über die Via Regia. Diesen Namen haben Sie doch sicher schon mal gehört, nicht wahr?«
Friederike hatte eine vage Ahnung, was damit gemeint sein könnte, wollte ihn aber nicht des Vergnügens berauben, sie zu belehren. Lächelnd verneinte sie seine Frage.
»Also« - mit einem gewichtigen Gesichtsausdruck hob Wilhelm Schadt den Zeigefinger - »die Via Regia wird auch gern die ›Hohe Straße‹ genannt. Zwischen Mainz und Höchst heißt sie allerdings noch ›alte Elisabethenstraße‹ - immer am Main entlang, wunderschön! Die Poststationen sind natürlich sehr unkomfortabel, man schläft mit Leuten in einer Kammer, die man gar nicht kennt. Und ehrlich gesagt auch nicht unbedingt kennenlernen möchte«, sagte er schmunzelnd. »Was mir in diesen Nächten schon alles gestohlen wurde! Und noch dazu sind die Wege so schlecht. An manchen Stellen sieht man noch die alte Römerstraße. Die Römer hatten gepflasterte Straßen, die viel besser waren als unsere heute. Das muss man sich mal vorstellen! Damals ist einem sicher nicht ständig die Achse gebrochen. Man verplempert ungeheuer viel Zeit auf diesen Reisen: Man steht beim Wagner rum, weil die Kutsche repariert werden muss, dann beim Hufschmied, weil ein Pferd seine Hufe verloren hat. Immerzu warten Sie!«
Er nippte an seinem Mokka. Auch die anderen drei Damen lauschten seinen Worten mit zunehmendem Interesse.
»Und meinen Sie, die Postkutsche sei in all den Jahren, die ich diese Strecke jetzt schon fahre, ein einziges Mal pünktlich abgefahren? Mitnichten! Über eine Woche war ich diesmal von Walluf nach Leipzig unterwegs.«
In dem Moment bemerkte Friederike, wie ihre Mutter ihr unauffällig ein Zeichen zu geben versuchte, sich zu Per Hansen zu begeben, der allein am Kirschbaumtischchen saß und der Kammermusik lauschte. Bedauernd verabschiedete sie sich von der kleinen Runde, um der Anordnung ihrer Mutter Folge zu leisten.
»Einen ausgezeichneten Mokka haben Sie da!«, begann der Kaufmann die Konversation.
Er lächelte erfreut, als sie sich zu ihm auf einen der grün bespannten Lehnsessel setzte.
»Wir handeln auch mit Kaffee. Wir bekommen ihn aus Java und seit dem vergangenen Jahr auch aus Brasilien. Ein riesiger Fortschritt, dass man den Kaffee jetzt auch in Südamerika anpflanzt! Die Nachfrage ist so groß, die bisherigen Anbaugebiete reichen nicht mehr aus. Alle wollen jetzt Kaffee trinken. Ihr Mokka scheint mir übrigens echt zu sein, bestimmt kommt er direkt aus Mokka am Roten Meer.«
»Wir kaufen ihn in Dresden, soweit ich weiß. Haben Sie Mokka oder Java schon bereist?«, fragte Friederike höflich.
»Nein, wir haben Handelspartner, vor allem in Amsterdam, die die Waren vor Ort einkaufen. Wir vertreiben sie dann weiter. Aber in Europa bin ich natürlich viel umhergereist, davon hatte ich ja bereits berichtet.«
Begeistert erzählte Per Hansen wieder von seinen Reisen, die ihn in die Kontore befreundeter Kaufleute geführt hatten. Es war nicht zu übersehen, dass er ihr Interesse für seine Arbeit sehr genoss.
»In Turin herrscht eine sehr gepflegte Kaffeekultur mit wunderschönen Kaffeehäusern. Das ist überhaupt eine angenehme
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