Die Porzellanmalerin
sähe nicht gut aus. Wir haben auch eine gewisse Repräsentierpflicht.«
»Wir haben überhaupt keine Repräsentierpflicht! Du willst nur repräsentieren! Weil du nicht dazu stehen kannst, einen armen Buchdrucker geheiratet zu haben statt eines vermögenden Fabrikanten. Und jetzt soll ich ausbaden, was du dir eingebrockt hast!«
»Friederike!«
Die Mutter war aufgestanden. Zwei rote Flecken zeichneten sich auf ihren weiß gepuderten Wangen ab. Sie hatte den Arm leicht erhoben und die Hand ausgestreckt, als wollte sie ihrer Tochter am liebsten eine Ohrfeige verpassen. Ihr Kinn zitterte.
Friederike wusste, dass sie zu weit gegangen war. Aber es war ihr egal. Sie war schließlich kein Stück Vieh, das man auf dem Heiratsmarkt verschachern konnte. Trotzig erwiderte sie den Blick der Mutter.
»Liebes Kind«, ertönte die tiefe Stimme ihres Vaters. Er nickte seiner Frau beruhigend zu, als wollte er ihr sagen: Ich mach das schon, beruhige dich!
»Wir haben Schulden«, fuhr er, an Friederike gewandt, fort. »Ich rechne zwar mit einem größeren Auftrag für die Bibliothek des Grafen Brühl in den nächsten Wochen - mit diesem Geld werden wir einiges bezahlen können. Aber bis dahin müssen wir anschreiben lassen. Und zwar für Dinge, die wir für unser tägliches Leben brauchen. Auf keinen Fall können wir weiter Geld für all diesen Tand ausgeben.«
Konrad Simons’ Blick war wieder zu seiner Frau gewandert.
»Die Hansens sind doch ganz nett, Friederike.«
Ihre Mutter hatte sich wieder in der Gewalt, was Friederike auch daran erkennen konnte, dass sie den Einwand ihres Mannes einfach überging.
»Ich gebe zu, sie sind nicht besonders kultiviert. Kaufleute eben. Noch dazu ein wenig langweilig. Und schön ist der junge Mann auch nicht gerade. Aber sehr, sehr reich!«
»Das ist mir egal, Mutter. Dieser Mann kommt für mich nicht in Frage!«
Insgeheim war Friederike sich gar nicht so sicher, ob es wirklich klug war, das Angebot des reichen Hamburgers auszuschlagen. Es hätte tatsächlich einige Vorteile, sich zu verheiraten, noch dazu gut und wohlhabend. Nicht zuletzt den, dass ihre Eltern sie dann endlich mit diesem Thema in Ruhe lassen würden. So wie sie Hansen einschätzte, hätte er wahrscheinlich nicht einmal etwas dagegen, wenn sie als seine Frau weiterhin ihrer Malerei nachging und diese vielleicht sogar professionell betrieb. Als echter Kaufmann, der er war, hieß er bestimmt jede Gelegenheit willkommen, bei der Geld zu verdienen war. Aber waren das nicht alles Pietisten dort oben im Norden? Den ganzen Tag mit nichts anderem als Beten und Arbeiten beschäftigt? Menschen mit schmalen, verkniffenen Lippen, gekleidet in schlichtes Schwarz? Nein, sie schüttelte sich, das war eine andere Welt, nicht die ihre. Ganz abgesehen davon, dass sie sich einen Mann wünschte, mit dem sie mehr verband als nur ein Geschäft. Liebe nämlich - das erwartete sie von einer Ehe.
N achdem die Tafel aufgehoben worden war, ging Friederike nicht zurück ins Atelier. Sie nahm einen leichten Umhang aus dem Garderobenschrank, setzte eine Haube auf und vertauschte die Seidenpantoffeln mit groben Holzpantinen. Durch die Geschäftsräume des Vaters lief sie auf den Marktplatz hinaus. Dort herrschte geschäftiges Treiben. Sie lehnte erst die Dienste eines Scherenschleifers ab, den sie an die Köchin weiterverwies, und nickte dann dem Apotheker Schmiedebauer zu, der einer
Kundin die Tür zu seinem Laden aufhielt. Vor dem Rathaus waren ein paar Ratsherren in ein hitziges Gespräch verwickelt, verneigten sich dann aber alle gleichzeitig wie in einem Ballett, als der Vierspänner des Bischofs vorbeirauschte. Die Mägde mit den Körben am Arm versanken in einen tiefen Knicks.
Am Elbufer angekommen, ließ Friederike sich im trockenen Gras nieder, um in Ruhe nachdenken zu können. Nein, sie würde diesen rotgesichtigen Kaufmann auf keinen Fall heiraten! Es musste schlimm um die Geschäfte des Vaters bestellt sein, wenn er auf die Idee kam, die eigene Tochter zu verhökern. Der Verlag und die Buchhandlung Konrad Simons’ waren aus der Mitgift seiner Frau finanziert worden. Der Vater hatte nur die Druckerei geerbt, die nun samt Setzerei, Korrektorenstube und Papierlager im Nachbarhaus untergebracht war, denn die Buchhandlung und der Verlag beanspruchten den ganzen Platz im Erdgeschoss des Simons’schen Hauses. Die Druckerei produzierte ebenfalls Visitenkarten sowie Vermählungs- und Geschäftsanzeigen. Der Bischof ließ Gesangsbücher
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