Die Porzellanmalerin
gestreift. Und außerdem: Sie wollte gar nicht neben Caspar Ebersberg sitzen und ihm in die Augen schauen. Sie wusste schließlich nur allzu gut, wohin das führen konnte.
»Na, was hältst du von den Hansens?«, fragte ihr Vater sie am nächsten Tag beim Mittagessen. Sie saßen noch beim Dessert, nur Georg hatte es eilig gehabt und war schon wieder aufgebrochen.
Friederike wandte sich ihrem Vater zu. Er hatte seine kleine runde Brille auf, und sein dunkler Teint, den ihm seine südfranzösische Großmutter vererbt hatte, wirkte in der fahlen Novembersonne, die müde durch die großen Fenster blinzelte, noch olivfarbener als sonst. Er schien oft ein wenig abwesend, als ginge ihn das, was um ihn herum passierte, nichts an. Dabei rechnete er im Stillen Kalkulationen durch oder formulierte in Gedanken Briefe an seine Autoren, wie Friederike wusste.
Sie wunderte sich über die Frage. Böses ahnend erwiderte sie betont beiläufig:
»Falls du Per Hansen meinst: Er scheint ganz nett zu sein.«
Ihr Vater blickte amüsiert auf.
»Nun, eigentlich meinte ich alle beide. Aber wenn du schon so direkt auf ihn anspielst: Dieser Mann ist wirklich bewunderswert! Er leistet hervorragende Arbeit. Er hat das Kontor seines Vaters noch ausgebaut - und dieser war schon gut im Geschäft. Bald werden sie eine Filiale in Dresden eröffnen. Er beliefert den König und den Grafen Brühl. Und wer mit Brühl im Geschäft ist, der hat fast schon ausgesorgt.«
Darüber lachten alle, denn es war bekannt, dass der sächsische Premierminister ein großer Verschwender war.
Obwohl Friederike sich innerlich dagegen gewappnet hatte, den einleitenden Worten des Vaters könnte womöglich noch etwas Unangenehmes nachfolgen, fühlte sie sich überrumpelt, als er scheinbar beiläufig fortfuhr:
»Er ist eine gute Partie, Friederike …«
»Aber keine gute Partie für mich, Vater!«, entgegnete sie schärfer als beabsichtigt.
Sie konnte dieses Thema einfach nicht mehr hören. Ständig
präsentierten ihr die Eltern mehr oder weniger offensichtlich irgendwelche Heiratskandidaten. Einer langweiliger und unattraktiver als der andere. Oder uralt. So wie dieser Doktor Brettschneider aus Leipzig. Was sollte sie mit einem Mann, der dreißig Jahre älter war als sie? Und noch dazu Witwer! Mit einer greisen Mutter, die gepflegt werden wollte! Als ihr Vater vor ein paar Monaten mit diesem Vorschlag angekommen war, hatte sie drei Tage nicht mit ihm gesprochen, so tief verletzt hatte sie sich gefühlt. Dabei hatte sie gewusst, dass ihr Vater es nur gut mit ihr meinte, zumal er selbst große Stücke auf Brettschneider hielt. Der Arzt hatte eine bedeutende Erfindung im Bereich der Chirurgie gemacht; was genau es war, hatte sie vergessen. Auf jeden Fall hatte ihr Vater eine Weile hin und her überlegt, ob er ein Buch über Brettschneider und seine revolutionäre Operationstechnik herausbringen sollte, die Idee aber dann wieder fallen lassen, weil ihm die potenzielle Leserschaft zu klein erschienen war. Brettschneider sah noch nicht einmal übel aus. Zumindest hatte er trotz seiner fast sechzig Lebensjahre weitaus markantere Züge als Per Hansen. Diese selbstzufriedene Made! Niemals würde sie einen solchen Mann heiraten. Allein bei der Vorstellung, wie seine patschige Hand sich auf ihren Körper legte, wurde ihr ganz anders. Und darauf würde es im Falle einer Ehe ja wohl hinauslaufen - spätestens. Was ihre Eltern sich bloß dabei dachten, Hansen als Ehemann für sie auszuspähen! Sie würde es gleich Charlotte erzählen müssen. Wenn sie gemeinsam darüber lachten, wäre es vielleicht nicht mehr ganz so schlimm.
»Er hat sich nach dir erkundigt«, sprang jetzt Constanze Simons mit sanfter Stimme ihrem Mann zur Seite.
»Kommt überhaupt nicht in Frage! Wir müssen gar nicht weiter darüber reden, Maman, ich bin mir ganz sicher: Diesen Mann heirate ich nie im Leben!«
»Offen gesagt, Friederike, die Geschäfte gehen im Moment alles andere als gut«, ergriff nun ihr Vater wieder das Wort. »Wir brauchen Geld. Und du bist alt genug, um zu heiraten. Bald sogar
zu alt. Du bist zwanzig, vergiss das nicht. Worauf willst du noch warten? Eine bessere Partie als Hansen wird sich dir nicht so schnell wieder bieten. Ich stehe schon länger in Kontakt mit ihm. Er ist nicht nur vermögend - er ist auch solide. Ein durch und durch ehrlicher hanseatischer Kaufmann.«
»Wir können nicht noch bescheidener leben«, ergänzte die Mutter. »Das würden die Leute merken, und das
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