Die Porzellanmalerin
drucken, und auch die Porzellanmanufaktur gab ihre Werbeaufträge hierher. Die Buchhandlung belieferte regelmäßig den sächsischen Premierminister Graf Brühl und die Bibliothek des Bischofs von Meißen. Auch die Universitätsbibliotheken von Leipzig, Halle und Jena waren gute Kunden. Das Verlagsgeschäft war allerdings ein Problem. Es gab einige Bücher, die seit Jahren gut liefen, wie »Die neue Medizin für den Hausgebrauch«, »Die Tier- und Pflanzenwelt Afrikas«, »Meine erste Mineraliensammlung«, »Der kleine Naturforscher« oder »Experimente mit Gewitterelektrizität«. Bei diesen Büchern waren die Gehilfen des Vaters kaum mit dem Verpacken nachgekommen, so viele Bestellungen waren in den letzten Monaten eingegangen. Aber es gab eben auch zu viele Bände, die nur an die großen Bibliotheken verkauft wurden, die die allgemeine Leserschaft hingegen kalt ließen. Nun hoffte Konrad Simons auf das Buch des Wasserbauingenieurs, das ein echter Erfolg zu werden versprach.
Friederike schlang die Arme um ihre Beine, die sie unter dem weiten Rock angezogen hatte, und legte das Kinn auf die Knie. Ein leichter Wind strich über die Grashalme und löste ein paar Strähnen aus ihrer Frisur. Ein Frösteln ergriff ihren Körper. Sie hätte doch das dickere Cape nehmen sollen, ärgerte sie sich. Die warmen Tage waren vorbei, kein Zweifel. Nun würde die trübe Jahreszeit kommen, alles würde braun und grau und trist werden - wie ihre Stimmung. Sie seufzte, als sie an das zurückliegende Mittagessen mit den Eltern dachte. Es ging ihr nicht nur um den Hamburger Kaufmann, den sie ihr als Ehemann verordnen wollten, ohne sich auch nur im Geringsten um ihre Gefühle zu scheren - nein, viel mehr noch ging es ihr um ihre Unabhängigkeit. Gut, sie war zwanzig Jahre alt und damit schon fast das, was man ein »spätes Mädchen« nannte. In ihren Kreisen pflegten die Frauen früh zu heiraten. Die Eltern hatten ja auch schon vor ein paar Jahren damit begonnen, sie mit dem Gedanken an die Ehe vertraut zu machen. Sie hatte jedoch nie etwas davon hören wollen, zumal der einzige Mann, den sie je attraktiv gefunden hatte - Caspar Ebersberg -, wegen seiner Herkunft als Heiratskandidat ohnehin ausgeschieden war. Nein, sie wollte das tun, was ihren eigenen Vorstellungen und Neigungen entsprach, und sich nicht danach richten, was Eltern oder Ehemann ihr vorgaben. Sie wollte malen. Malen, malen, malen! Und zwar nicht nur zu ihrem Vergnügen, sondern als Beruf. Wie die Pompadour. Die vielleicht nicht selbst malte, aber die Beschäftigung mit Porzellan zu ihrer Sache gemacht hatte, indem sie die Manufaktur des französischen Köngis leitete. Niemand sollte ihr mehr erzählen, dass Frauen von solchen Dingen weniger verstanden als Männer! Im Gegenteil wahrscheinlich. Frauen hatten viel mehr Ausdauer und im Zweifelsfall auch mehr Geschick als Männer. Wie man an ihr und Georg sehen konnte. Dieser Nichtsnutz! Friederike schnaubte. Was der sich einbildete! Die verfluchten Chinesen waren noch immer nicht fertig …
Um wirklich gut zu sein, brauchte sie zunächst einmal unbedingt einen Lehrer, rief sie sich zur Räson. Alles, was Georg konnte, beherrschte sie auch, keine Frage, aber sie wusste, dass es noch mehr zu lernen gab. Sie konnte sich nicht alles selbst beibringen. Sie brauchte jemanden, der sie anleitete und beurteilte. Wenn sie Georg fragte, wie man in der Manufaktur die von ihr bemalten Stücken beurteilte, murmelte er stets irgendetwas Unverbindliches, statt ihr eine befriedigende Antwort zu geben. Sie hatte schon ein paarmal mit dem Gedanken gespielt, ein Gespräch mit Obermaler Höroldt zu suchen. Sie sollte vielleicht endlich zur Tat schreiten. Eigentlich konnten sie in der Manufaktur doch nur froh sein über jemanden, der so viel Talent besaß wie sie. Natürlich war es nicht üblich, dass junge Damen ihres Standes in einem handwerklichen Betrieb arbeiteten. Es gab in der Porzellanmanufaktur keine Frauen, schon gar keine Fräuleins. Sie sah allerdings keinen Grund, warum das nicht möglich sein sollte. Natürlich war es nicht üblich - aber war das ein Argument? Verboten war es schließlich nicht. Höroldt galt als ausgesprochen schwierig. Niemand konnte ihn leiden. Er beutete seine eigenen Mitarbeiter aus, das wusste jeder. Er intrigierte gegen Kaendler, den Modellmeister. Er war verärgert, weil es bei den neuen plastischen Dekors weniger freie Flächen gab, die bemalt werden konnten. Er fühlte sich von Kaendler gegängelt. Der
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