Die Porzellanmalerin
August Winklers eigentlicher Vorzug seine Verbindungen zur Demimonde von Dresden und nicht unbedingt seine Geschicke als Rechtsanwalt seien. Aber das waren alles nur böswillige Spekulationen, wies sie sich in Gedanken selbst zurecht.
Das Dienstmädchen brachte sie in den Salon. Auch der war genau richtig ausgestattet, nicht zu üppig und nicht zu bescheiden. Charlotte lag mit einem Buch bäuchlings auf der Chaiselongue. Ihr hochgerutschtes weißes Kleid mit den rosafarbenen Rüschen ließ ihre kräftigen Waden sehen. Sie waren der - zum Glück selten sichtbare - einzige Makel an Charlottes wunderschönem Körper.
»Wie nett, dich zu sehen! Das war ein reizender Abend gestern. Setz dich doch!«, begrüßte Charlotte, die leichtfüßig aufgesprungen war, ihre Freundin. Sie deutete auf einen Sessel.
»Freut mich, dass es dir gefallen hat.«
Das Dienstmädchen kam mit einem Teetablett herein. Die Kanne war wie ein Schwan geformt und die Tassen mit den Reliefs kleiner Krebse, Muscheln und Seejungfrauen verziert. Alle Porzellanstücke standen auf zierlichen Füßchen. Charlotte schenkte den Tee ein.
»Ich muss dir was erzählen!«
»Ich dir auch!«
Beide mussten lachen und wussten nicht recht, wer zuerst das Wort ergreifen sollte. Schließlich ließ Charlotte Friederike den Vortritt.
»Stell dir vor, mein Vater will mich verheiraten! Anscheinend ist dieser Per Hansen an mir interessiert. Du weißt, der rotgesichtige Kaufmann aus Hamburg, der mit seiner Schwester gestern Abend da war.«
»Und?«
»Das werde ich natürlich auf gar keinen Fall tun! Ich bitte dich - was für ein Langweiler!«
»Ja, ein bisschen langweilig kam er mir auch vor.«
»Meine Eltern finden, er ist eine gute Partie. Anscheinend haben die Hansens viel Geld.«
»Das hätte ich nicht von deinen Eltern gedacht, dass sie so denken …«
Auf Charlottes hübschem Gesicht zeichnete sich ehrliches Mitgefühl ab. Doch Friederike hatte jetzt nicht die Absicht, ihr die schwierige Geschäftslage ihres Vaters zu erläutern. Auch wenn Charlotte ihre beste Freundin war: Meißen war klein, und wie leicht plauderten die Leute etwas aus, ohne es zu merken.
»Sie hätten eben gern einen reichen Schwiegersohn«, erklärte sie missmutig.
»Das kann man ja auch irgendwie verstehen.« Charlotte nickte. »Na ja, und sooo schlecht sieht er nun auch wieder nicht aus. Und wenn er so viel Geld hat … Du musst dich doch nicht gleich entscheiden, oder? Ich würde erst mal abwarten. Ein bisschen Interesse signalisieren. Nur ein bisschen. Sodass er nicht genau weiß, was er davon halten soll. Auf diese Weise gewinnst du Zeit, ihn dir genauer anzusehen.«
»Ich weiß nicht … Das kommt mir so unnatürlich, so falsch vor.«
»Mein Gott, Friederike! Du tust hinterher einfach ganz überrascht und weigerst dich, ihn zu heiraten, wenn du am Ende wirklich immer noch nicht willst! Das ist doch erst mal ganz unverbindlich. Vielleicht magst du ihn ja. Dein Vater wird schon nichts ohne dein Einverständnis unternehmen. Meine Eltern würden so etwas machen, aber deine doch nicht!«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, knurrte Friederike. »Aber eins steht fest: Meine Meinung werde ich bestimmt nicht ändern.«
» Mon Dieu , Friederike, sei nicht so kategorisch! Verhalte dich einfach ein wenig geschickt. Hansen hat doch einiges vorzuweisen.
Er handelt mit Kolonialwaren, die von überall her kommen: Gewürze und Tee aus Ostindien und Ceylon. Zucker aus Westindien, Kaffee aus Brasilien, Kakao aus Westafrika und Tabak aus Virginia. Das klingt doch sehr aufregend. Er hat mir davon erzählt.«
»Ich habe gar nicht gemerkt, dass du mit ihm geredet hast!«
»Ich fand ihn nicht so uninteressant.«
Charlotte fand reiche Leute nie uninteressant. Vielleicht sollte sie Hansen heiraten! Friederike musste unwillkürlich schmunzeln.
Ohne sich um das eindeutige Mienenspiel der Freundin zu scheren, plapperte Charlotte weiter:
»Du redest über etwas, das noch gar nicht passiert ist. Warte einfach ab und sei ein bisschen nett. Da vergibst du dir nichts, wirklich nicht. Kaufmannsgattin zu werden ist sicher nicht das Verkehrteste für eine Frau wie dich und mich.«
»Ich will keine Kaufmannsgattin werden. Ich will malen!«
»Wenn du so einen vermögenden Mann hast wie Hansen, kannst du den ganzen Tag malen. Er ist so reich, er kann dir gleich noch deine eigene Porzellanmanufaktur kaufen.«
»Das glaube ich nicht!« Friederike hatte völlig vergessen, dass sie schon ganz ähnliche
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