Die Porzellanmalerin
Gedanken gehegt hatte. »Er wird erwarten, dass ich mich für sein Geschäft interessiere, repräsentiere, Geselligkeiten organisiere und mit ihm verreise.«
»Na und? Vielleicht macht dir das alles ja Spaß, und du hast immer noch genug Zeit, deine eigenen Services zu bemalen. Und das viele Reisen würde dir bestimmt gut gefallen, ich kenne dich doch! Ach, wenn wir hier wenigstens in Dresden wären oder in Leipzig! Meißen ist so klein. Ich würde nichts lieber, als von hier wegziehen.«
»Charlotte, begreifst du nicht? Ich will meinen eigenen Weg gehen! Ich bin Malerin! Ich will nicht von einem Mann abhängig sein und mein Schicksal von ihm bestimmen lassen. Ich will mein eigenes Leben führen.«
»Das wird nicht gehen, meine Liebe.« Charlottes Stimme klang nun beinah streng. »Du musst auch ein wenig Kompromissbereitschaft zeigen! Sei doch einfach realistisch. Und schau dir vor allem erst einmal an, was mit Hansen und dir passiert! Aber jetzt muss ich dir etwas erzählen!«, fügte sie nach einer winzigen Atempause aufgeregt hinzu.
Schon während des gesamten Gesprächs war Friederike das Gefühl nicht losgeworden, dass Charlotte nur halb bei der Sache war. Tatsächlich schien sie die ganze Zeit ungeduldig darauf gewartet zu haben, endlich zu ihrem Thema zu kommen.
»Ja, erzähl, Charlotte, ich bin sehr gespannt«, zwang sie sich, einen munteren Ton anzuschlagen.
»Ich habe mich verliebt!« Charlotte strahlte sie an, als hätte sie ihr soeben ein wunderschönes Geschenk überreicht. »In Georg, stell dir das vor!«
»In Georg?«, wiederholte Friederike begriffsstutzig.
»In Georg, deinen Bruder, ja.«
Friederike war sprachlos. Damit hatte sie nicht gerechnet. Was würde heute noch alles passieren? Sie sollte sich am besten für den Rest des Tages einschließen und ins Bett legen, damit ihr niemand mehr irgendwelche schauerlichen Dinge erzählen konnte. Dass ausgerechnet Charlotte auf Georg hereinfiel! Hundert Mal schon hätte sie sich verheiraten können, aber sie hatte immer auf den Richtigen warten wollen. Nun war sie in Georg verliebt! Friederike konnte es nicht fassen.
»Aber du kennst Georg doch schon immer! Wie kannst du dich auf einmal in ihn verlieben? In Georg! Ausgerechnet in Georg! Du weißt doch, wie er ist!«
»Und du weißt, wie so etwas passiert«, erwiderte Charlotte fröhlich. »Man kann nichts dagegen machen. Wo die Liebe hinfällt … Er sieht einfach zu gut aus und ist so nett und so witzig. Er hat Fantasie und viele Ideen - ach, ich liebe diesen Mann!«
»Charlotte! Du weißt nicht, was du sagst!«, rief Friederike
aufgebracht. »Lass dich auf keinen Fall näher mit Georg ein, Charlotte! Das wird garantiert auf eine Enttäuschung hinauslaufen, und zwar ganz schnell!«, ereiferte sie sich.
»Na, so schlimm ist er doch gar nicht!« Charlotte klang beleidigt. »Du sprichst von deinem Bruder, deinem eigen Fleisch und Blut, Friederike. Wie kannst du ihn nur so niedermachen?«
Ihr Gesicht bekam plötzlich einen schwärmerischen Ausdruck.
»Und, was denkst du? Wie findet er mich?«
Mit Verliebten konnte man nicht diskutieren, das wusste Friederike. Ihr war klar, was Charlotte jetzt hören wollte. Aber sie musste die Freundin doch warnen! Allerdings kannte Charlotte Georg ja bereits. Es war noch gar nicht so lange her, dass sie sich ständig bei ihr beschwert hatte, weil Georg unverschämt zu ihr gewesen sei oder sie sonst wie geärgert habe.
»Keine Ahnung, wie er dich findet, Charlotte«, erwiderte sie trocken. Sie wusste es wirklich nicht. Georg fand alle Frauen reizend. Und alle Männer waren immer von Charlotte begeistert. Es war absehbar, was passieren würde.
»Es war so lustig mit ihm, gestern Abend!«
Träumerisch blickte Charlotte aus dem Fenster. Ihr Busen hob und senkte sich unter den rosafarbenen Rüschen.
Friederike runzelte die Stirn. Sie würde sich auf keinen Fall von ihrer besten Freundin von Georg vorschwärmen lassen. Andererseits wollte und konnte sie auch nicht zu viel Schlechtes über ihn sagen; immerhin war er ihr Bruder.
»Ich kann nicht verstehen, was du in ihm siehst«, erklärte sie schließlich bemüht sachlich.
»Er ist ein Künstler...«
»Er ist kein Künstler!«
»Aber gewiss ist er das! Sieh dir doch all die schönen Sachen an, die er bemalt hat!«
Natürlich wusste Charlotte, dass Friederike ebenfalls malte. Aber nicht einmal die beste Freundin wusste, dass es in Wirklichkeit sie war, die in Georgs Namen für den Hofmaler
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