Die Porzellanmalerin
Vielleicht auch ein Krimineller, meinetwegen. Aber der Italiener, der dir immer diese Briefe schreibt, an dem hängst du! Du hättest mal dein Gesicht sehen sollen, als ich dir neulich seinen Brief gegeben habe!«
Er hielt einen Moment inne und blickte sie schweigend an. Dann holte er tief Luft, als müsste er sich auf einen anstrengenden Lauf vorbereiten.
»Du weißt, Friederike, ich habe dich auch geliebt. In Straßburg und auch danach, als wir geheiratet haben. Aber irgendwann ist mir klar geworden, dass das wohl ein Fehler war: Wir passen einfach nicht zusammen. Du und ich, das ist wie Feuer und Wasser! Dass du unglücklich an meiner Seite warst, ist mir nicht entgangen. Aber wie hätte ich dir denn helfen können - ich war doch der Grund für dein Unglück! Was mich auch nicht gerade glücklich gemacht hat, wie du dir vorstellen kannst. Deshalb hatte ich gar nichts dagegen, so viel unterwegs zu sein. In der Hoffnung, über den räumlichen Abstand könnten wir vielleicht eines Tages diesen Idealzustand einer Ehe erreichen, in dem man nur noch miteinander befreudet ist, aber keine übertriebenen emotionalen Ansprüche mehr an den anderen stellt. So wie ich mir das mit Mathilde vorgestellt hatte.«
Sein Lächeln drückte leises Bedauern aus - Friederike wusste nicht genau, ob es ihr oder Mathilde galt.
»Diese Sache mit den Porzellanfiguren«, fuhr Carl in einem nüchternen Ton fort, »hat meinen Abschied natürlich beschleunigt, keine Frage! Danach war der Ofen bei mir erst mal aus, und zwar komplett. Meine Frau schläft mit anderen Männern, habe ich gedacht. Und hat mich nur geheiratet, weil ich ihr Geld und einen Namen biete. Während meiner Krankheit habe ich dann gemerkt, dass du doch an mir hängst. Aber lass es die Todesnähe gewesen sein, die ich erfahren habe - irgendwann ist mir klar geworden, dass ich dich freigeben muss. Langfristig gesehen zumindest. Zu unser beider Wohl.« Er tätschelte ihre Hand. »Deshalb fände ich es durchaus vernünftig, wenn du eine Zeit lang nach Fürstenberg gehen würdest. Du wirst unsere Niederlassung dort leiten. Höxter soll ja ganz nett sein, habe ich mir sagen lassen. Klingt fast wie Höchst - du wirst dich dort zu Hause fühlen! Wir werden hier schon ohne dich klarkommen«, grinste er spöttisch, »mach dir keine Sorgen um uns.«
Friederike schwieg. Dankbarkeit machte sich in ihr breit. Da war sie wieder, jene alte Verbundenheit zwischen ihnen, das
Gefühl, sich hundertprozentig auf Carl verlassen zu können, jenes Gefühl, das sie bereits bei ihrer ersten Begegnung im Hanauer Wald verspürt hatte. Nur wenige Male in ihrer kurzen Ehe war Carl so aufrichtig zu ihr gewesen wie jetzt, hatte er so ausführlich über seine Gefühle gesprochen. Wenn sie mehr Zeit miteinander verbracht, wenn sie sich beide wirklich bemüht hätten, einander von Grund auf kennenzulernen und die Persönlichkeit des anderen zu verstehen, wäre vielleicht alles anders gelaufen, hätte ihre Ehe womöglich doch eine Chance gehabt …
Sie blickte auf, sah seinen forschenden Blick, der auf ihr ruhte. Oder auch nicht - wer wusste das schon? Aber in einem hatte Carl nun einmal unumstößlich recht: Giovanni war der Mann, den sie liebte, nicht er. Und er gab sie frei - frei für Giovanni.
»Du bist ein guter Freund, Carl«, sagte sie langsam. »Das warst du immer.«
»Dann sei du mir auch eine gute Freundin, und lass die Wogen, die dein Lebenswandel in Fürstenberg sicher schlagen wird, nicht bis hierher nach Frankfurt schwappen und unsere Geschäfte ruinieren!«
Er lächelte in mildem Spott, während Friederike spürte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg.
»Und kümmere dich gut um unseren Sohn!«, fuhr er, wieder ernsthaft geworden, fort. »Ich will, dass es ihm an nichts fehlt, dass er …«
In dem Moment wurde die Tür aufgerissen. Emanuel stürmte mit hochrotem Kopf in den Raum hinein.
»Wir haben es geschafft!«, brüllte er triumphierend und schwenkte ein Blatt Papier in der Luft. »Wir haben es geschafft: Die Nobilitierung ist durch! Wir können uns ab sofort ›von Bogenhausen‹ nennen!«
»Dann kannst du dich ja endlich wieder um unsere Geschäfte kümmern«, bemerkte Carl trocken. »Schau dir die Sachen gleich mal an!«
Auffordernd streckte er ihm den Stapel Dokumente entgegen, die Alessi dagelassen hatte.
Friederike hörte nicht mehr, was die beiden Brüder sich weiterhin gegenseitig an den Kopf warfen. Sie stand in der ehemaligen Bibliothek, die erst ihr Arbeits- und
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