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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Marten
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nicht dir direkt gibt …«
    Friederike wurde schwindelig. »Madame Carl Bogenhausen, neé Simons«, entzifferte sie die geschwungenen Buchstaben auf dem schweren Büttenpapier, dem gleichen wie beim letzten Mal. Warum musste Giovanni ihr ausgerechnet jetzt schreiben? Jahrelang hätte er ihr schreiben können - wie glücklich wäre sie gewesen, in Höchst einen Brief von ihm zu erhalten. Und was für ein empörendes Verhalten von Emanuel, den Brief nicht ihr, sondern Carl auszuhändigen! In den letzten Wochen war ihr bewusst geworden, dass die beiden Brüder sich zwar ständig stritten wie die Kesselflicker, aber dass sie zusammenhielten wie Pech und Schwefel, wenn sie sich von außen bedroht fühlten.
    »Danke, Carl«, erwiderte sie betont unbefangen und stellte das Tablett auf dem Hocker neben seinem Bett ab, um den Brief entgegenzunehmen.
    Wie großzügig von ihm, ihr Giovannis Nachricht ungeöffnet zu überreichen! Nun stand sie noch mehr in seiner Schuld. Aber
was sollte sie jetzt tun - sie konnte ja schlecht das Siegel vor seinen Augen brechen. Oder würde sie sich erst recht verdächtig verhalten, wenn sie den Brief nicht sofort las? Hilfesuchend schaute sie zu dem Gobelin an der Wand, einer venezianischen Kanalszene mit gewölbten Steinbrücken und langen, schmalen Gondeln. Sie brannte darauf, Giovannis Worte zu lesen.
    »Wie fühlst du dich heute Morgen?«, versuchte sie schließlich, ein unverbindliches Gespräch mit ihrem Mann anzufangen, während sie den Brief unauffällig in ihre Rocktasche gleiten ließ. Doch es gelang ihr nur, mit halbem Ohr zuzuhören, als Carl ihr begeistert von seinen Plänen berichtete, wie er vom Bett aus seine Arbeit wieder aufzunehmen gedachte.
    Ein lautes Klopfen an der Tür erlöste sie.
    »Sie wollen doch nicht schon gehen, Frau Bogenhausen?«, begrüßte Josef Kornfeld sie fröhlich, als sie von ihrem Stuhl aufgesprungen und ihm entgegengetreten war.
    Er schien sich von seinem Schock nach Caspars Anschlag auf Carl völlig erholt zu haben. Einem Wirbelwind gleich stürzte er in den Raum hinein, um sich rittlings auf dem zierlichen Stühlchen vor dem Bett niederzulassen.
    »Stell dir vor, Carl: Dein Bruder will nicht, dass ich durch den Haupteingang ins Haus komme!«
    Prustend schlug er sich auf die Schenkel, zog umständlich die neueste Ausgabe des L’Avant Coureur aus seinem Rock und hielt Carl die Schlagzeilen unter die Nase.
    Friederike nutzte die Aufregung, um unauffällig aus dem Zimmer zu verschwinden. Kaum hatte sie ihre Bibliothek erreicht, brach sie das Siegel.
     
    Federica, warum lässt Du nichts von Dir hören? Bedeute ich Dir so wenig? Oder untersagt Dein Ehemann Dir, mir zu schreiben?
    Seit Wochen weile ich nun hier in Corvey als Gast des Fürstbischofs. Vor Kurzem habe ich sogar einen Vertreter der Porzellanmanufaktur
aus dem benachbarten Fürstenberg kennengelernt. Vielleicht sagt Dir der Name Benckgraff etwas?
    Ein paar Worte von Dir würden mir unendlich viel bedeuten! Aber auch, wenn Du nicht schreibst: Ich weiß, wir werden immer miteinander verbunden sein. Spätestens seit ich Dich in Meudon wiedergesehen habe, ist mir klar geworden, dass es nur eine Frau in meinem Leben gibt: Dich.
    Ti amo,
    Giovanni

    Besuch für Carl?, fragte sich Friederike flüchtig, als ihr Blick durch das große Fenster des Speisesaals auf die bescheidene Kutsche fiel, die gerade in den Hof gebogen kam. Es war noch diesig draußen, aber immerhin schien der launische April ihnen an diesem Tag ein wenig Sonne gönnen zu wollen.
    Sie nippte an ihrem Morgenkaffee und betrachtete Ludwig, der in einer Ecke des Zimmers auf einer Decke lag und mit einem Stoffball spielte.
    »Ein Herr Benckgraff möchte Sie sprechen«, verkündete Agnes, die schon eine ganze Weile in der offenen Tür gestanden haben musste. »Er wartet im Salon.«
    Der ehemalige Direktor der Höchster Porzellanmanufaktur war in ein angeregtes Gespräch mit Margarethe Bogenhausen vertieft, als Friederike den Raum betrat. Sein struppiges Haar stand so wirr vom Kopf ab wie eh und je, doch von seinem Gesicht ging ein ungewohntes Leuchten aus. Er wirkte viel ausgeglichener und heiterer, als sie ihn in Erinnerung hatte.
    »Friederike, wie schön Sie zu sehen!« Er ergriff ihre Hand und drückte sie fest.
    »Was führt Sie zu mir?«, fragte sie nach der Begrüßung.
    Sie musste sich beherrschen, ihn nicht gleich auf seine Begegnung mit Giovanni anzusprechen.

    »Ich komme, um mich von Ihnen zu verabschieden. Auch im Namen von

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