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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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glitzerten auf ihrer Stirn, und ich fragte mich, wie schwierig es wohl gewesen sein mochte, meinen Geist wieder zurückzuholen. »Eine Priesterin muss lernen, ihre Kraft nicht nur zu geben, sondern auch zu beherrschen!«
    »Es tut mir Leid«, flüsterte ich. Ich fühlte mich weniger schwach als vielmehr durchsichtig. Vielleicht war aber auch das Wesen der Welt selbst durchlässiger geworden, denn durch den Stamm des Apfelbaums nahm ich noch immer einen Glanz wahr.

    Der Frühling ging in den Sommer über, doch Sian, die Tochter der Herrin, kränkelte noch immer. An jenen langen, hellen Tagen übertrug man häufig mir die Aufsicht über ihre beiden Töchter. In meinem Bemühen, sie zu unterhalten, war ich inzwischen eine gute Erzählerin geworden. Zuweilen gesellte sich einer der Jungen zu uns, die von den Druiden unterrichtet wurden, wie der kleine Haggaia.
    »Vor Urzeiten, noch ehe die Römer kamen, gab es in den Westlanden einen König, dessen Volk murrte, weil die Königin dem Herrscher keinen Sohn geschenkt hatte«, begann ich.
    »Hatte sie eine Tochter?«, fragte Dierna. Ihr heller Schopf leuchtete hell in der Nachmittagssonne, die durch die Bäume um den heiligen Brunnen fiel. Jetzt, da der Sommer sich neigte, war es kühl hier, und wir lauschten dem ewigen Lied des kalten Wassers, das der geheiligten Quelle entsprang.
    Diernas kleine Schwester Becca schlief auf einem Stapel Decken nicht weit von uns; Eldri hatte sich neben ihr zusammengerollt. Der kleine Hund war zu groß geworden, als dass ich ihn noch im Gewand hätte tragen können, aber er war noch immer nicht größer als eine Katze. Wie er dort schlief, sah er bis auf die schwarze Nase wie ein weißes Wollknäuel aus. Haggaia lag auf dem Bauch und hatte sich auf einen Ellenbogen gestützt. Sein braunes Haar glitzerte in der Sonne.
    »Nicht, dass ich wüsste«, antwortete ich.
    »Deshalb haben sie sich also beklagt«, sagte Dierna mit Nachdruck. »Es wäre in Ordnung gewesen, wenn sie ein Mädchen gehabt hätte.«
    Sian ruhte sich an diesem Nachmittag aus. Nach Beccas Geburt vor anderthalb Jahren war sie nie wieder richtig zu Kräften gekommen. Auch Cigfollas Arzneien schienen ihr nicht zu helfen. Ich wusste, dass die älteren Priesterinnen sich Sorgen machten, obwohl sie nicht darüber redeten. Ich spürte es an der Dankbarkeit, mit der sie mein Angebot annahmen, mich um die beiden Mädchen zu kümmern. Mir machte es wahrhaftig nichts aus, denn Becca war fröhlich und ausgelassen wie ein Welpe und Dierna wie die kleine Schwester, die ich mir immer gewünscht hatte.
    »Willst du jetzt hören, was passiert ist, oder nicht?«, fragte ich sie und konnte nicht umhin, zu lächeln.
    Haggaia verzog das Gesicht, aber es war nicht verwunderlich, dass Dierna eine Tochter für wichtiger hielt, da sie auf der heiligen Insel lebte, auf der die Druiden dem Willen der Herrin von Avalon unterworfen waren. Hätte es einen Merlin gegeben, wäre die Autorität vielleicht ausgeglichener verteilt gewesen, doch der letzte war gestorben, kurz nachdem ich zur Welt gekommen war, und niemand hatte seine Kräfte geerbt.
    »Was ist denn nun passiert?«, fragte der Junge.
    »Der König liebte seine Königin, und er bat seine Berater, ihm und seiner Frau für ein Kind noch ein Jahr Zeit zu lassen. Und tatsächlich, noch ehe das Jahr zu Ende war, bekamen sie eine kleine Tochter…«
    So hatte der Sänger in der Halle meines Vaters die Geschichte nicht vorgetragen, aber er war kein Druide und erinnerte sich daher nicht genau an die alte Sage. Er hatte oft gesagt, ein Barde müsse seinen Stoff dem Geschmack seines Publikums anpassen. Ermutigt durch Diernas Lächeln, erzählte ich munter weiter.
    »Die Königin war von Frauen umgeben, die ihr aufwarteten, doch diese schliefen ein, und während alles im Schlaf lag, verschwand die kleine Prinzessin! Als die Frauen wach wurden, fürchteten sie sich sehr vor dem Zorn des Königs. In derselben Nacht nun hatte die Jagdhündin der Königin Welpen zur Welt gebracht, und die Frauen nahmen zwei Welpen, töteten sie, strichen der Königin Blut um den Mund und legten die Knochen neben sie. Als der König kam, schworen sie, die Königin habe ihr eigenes Kind aufgegessen!«
    Jetzt runzelten nicht nur die Kinder die Stirn, auch Eldri war aufgewacht und starrte mich mit seinen braunen Augen vorwurfsvoll an, als habe er jedes Wort verstanden.
    »Muss ich dich auch noch zufrieden stellen?«, murmelte ich und überlegte fieberhaft, wie ich die Geschichte
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