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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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nicht geholfen, sie dazu zu bewegen, den Ungeweihten zu berichten, wie es war.
    Was auch geschehen sein mochte, es hatte ihnen nicht geschadet, sondern sie nur in ihrem Überlegenheitsgefühl bestärkt, das ich ohnehin für übertrieben gehalten hatte. Mit Mühe entspannte ich mich. Ich spürte, dass Eldri, der immer in meiner Armbeuge schlief, knurren wollte. Ich drückte den kleinen Hund wieder auf das Bettlaken, streichelte das seidige Fell, bis die Anspannung aus seinem kleinen Körper wich.
    Ich wünschte, du könntest auch mitkommen , dachte ich, aber das muss ich allein machen… Dann richtete ich mich auf und gestattete meinen unsichtbaren Entführerinnen, mir aus dem Bett zu helfen, mich in einen warmen Mantel zu hüllen und fortzuführen.
    Kies knirschte unter meinen Füßen, und ich wusste, dass sie den Weg am See entlang gewählt hatten. Ich atmete den feuchten Geruch des Morasts ein und hörte das Wispern des Windes im Röhricht. Im ersten Augenblick fragte ich mich, ob sie mich wohl über den See auf eine andere Insel bringen wollten. Ein paar Mal änderte meine Eskorte die Richtung und drehte mich herum, bis mir der Kopf schwirrte und nur ein fester Griff an meinem Ellbogen mich auffing. Instinktiv führte ich eine Hand an die Kapuze, doch jemand hielt mich davon ab, sie anzuheben.
    »Versuche nicht, etwas zu sehen«, zischte es in mein Ohr. »Du hast deinen Fuß auf den Pfad in eine Zukunft gesetzt, die du nicht kennen kannst. Du musst diesen Weg gehen, ohne in deine Kindheit zurückzuschauen, und auf die Weisheit derer vertrauen, die ihn vor dir gegangen sind und dir den Weg zeigen wollen. Hast du verstanden?«
    Ich nickte und fügte mich in die Notwendigkeit des Rituals, doch ich hatte schon immer einen ausgeprägten Orientierungssinn besessen, und als meine Benommenheit nachließ, spürte ich die vom Tor ausgehende Kraft zu meiner Rechten wie eine Feuersäule.
    Dann stiegen wir höher hinauf, und als kühle, feuchte Luft über mich hinwegstrich, erschauderte ich. Ich vernahm das melodische Gurgeln von Wasser, und unsere kleine Prozession blieb stehen, als jemand ein Tor öffnete. Ich hörte demzufolge das Wasser, das aus der Blutquelle am Fuße des Tor strömte. Zu wissen, wo ich mich befand, machte mich weniger verletzlich. Ich versuchte mir einzureden, dass ich wegen der Kälte zitterte.
    Plötzlich sah ich durch das grobe Gewebe meiner Haube den Schein von Fackeln. Die Kapuze wurde mir vom Kopf gezogen, und ich erkannte, dass ich richtig vermutet hatte, denn wir standen vor der Pforte der Brunneneinfriedung. Aber alles sah ganz anders aus. Ringsum standen verschleierte Frauen, die ich im flackernden Licht nicht erkannte. Die kleinste unter ihnen hielt mich am Arm fest. Dann nahmen sie mir den Mantel ab, anschließend das Nachtgewand. Nackt stand ich vor ihnen und zitterte in der kühlen Luft.
    »Nackt bist du auf die Welt gekommen«, sagte dieselbe barsche Stimme, die ich zuvor auch gehört hatte. »Nackt musst du den Übergang in deine neue Lebensphase vollziehen.«
    Diejenige, die mich festhielt, zog mich zurück. An ihrer Größe glaubte ich Heron zu erkennen. Wahrscheinlich oblag es der zuletzt Geweihten, die Nächste zu führen. Die anderen Frauen stellten sich mit gespreizten Beinen in einer Reihe zwischen mir und der Pforte auf.
    »Diesen Durchgang hast du genommen, als du zur Welt kamst. Geh durch den Geburtskanal, auf dass du neu geboren werdest…«
    »Du musst zwischen ihren Beinen hindurch zur Pforte kriechen«, zischte Heron und drückte mich zu Boden.
    »Durch diesen Tunnel wirst du in den Kreis der Frauen hineingeboren. Mit diesem Durchgang wirst du eine neue Welt betreten.«
    Ich biss mir auf die Lippen, als der Kies sich in meine Kniescheiben bohrte, und kroch vorwärts. Das rauhe Gewebe von Wollmänteln und weiche Leinengewänder strichen mir über den Rücken. Als ich zwischen den Oberschenkeln der Priesterinnen hindurchkroch, streifte ich weiche Haut und roch ihre Weiblichkeit, betäubend wie Weihrauch. Aus der Wärme dieser Körper in die kalte Luft des dahinter liegenden Gartens aufzutauchen war wie ein Schock.
    Die Pforte stand offen. Meine Führerin geleitete mich hindurch, die anderen Frauen folgten uns und stellten sich zu beiden Seiten des Brunnens auf. Die letzte schloss die Pforte hinter sich. Auf dem ruhigen Wasser des Teiches glitzerte roter Fackelschein.
    Eine hohe Gestalt trat vor und versperrte mir den Blick auf die anderen. Es war Cigfolla, doch erschien sie
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