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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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murmeln hörten. Ich sah, wie Cunoarda nach Anzeichen von Wahnsinn suchte, wenn sie mir in die Augen schaute. Doch sie vermochten die andere Stimme nicht zu hören, die antwortete, wenn Crispus mir über seine Liebe zu seiner Helena und der kleinen Tochter erzählte, die ihnen geblieben war, über seinen Stolz auf die Siege, und über die Hoffnungen, die er für eine Zukunft gehegt hatte, die es nun nicht mehr geben würde.
    Wie gut, dachte ich, als die Palasttore sich öffneten, dass meine Reise lang genug gedauert hatte, um meine Wut abkühlen zu lassen. Jetzt stand mein Entschluss felsenfest. Niemand war mehr sicher, wenn Konstantin seinen eigenen Sohn umbringen konnte, und obwohl das Leben einer alten Frau mir geringen Wert besaß, wollte ich doch so lange leben, bis der Gerechtigkeit Genüge getan wäre.
    Ich überhörte das Raunen der Diener, als sie mich in meinen alten Zimmern unterbrachten, und übersah die neugierigen Blicke auf das Bündel, das ich in den Armen hielt. Die gesamte Dienerschaft hier war neu. Drusilla war vor langer Zeit gestorben, Vitellia hatte sich nach Londinium zurückgezogen, und die meisten, die Crispus und seiner Helena gedient hatten, waren ebenfalls verkauft worden. Konstantin und Fausta weilten noch im Sommerpalast im Norden der Stadt. Ich fragte mich, wie lange es wohl dauern mochte, bis er den Mut fand, mich aufzusuchen.
    Am nächsten Morgen befahl ich meinen Sänftenträgern, mich zu den Eltern der jungen Helena zu bringen, bei denen sie gelebt hatte, als Crispus beim Kaiser weilte. Lena war schön, wie mein Enkel mir gesagt hatte - helle Haut und dunkles, glattes Haar. Doch ihre weiße Haut war beinahe durchsichtig, und als ich sie umarmte, spürte ich die feinen Knochen, als werde sie von ihrem Kummer aufgezehrt.
    In ihrem ganzen Leben hat sie noch nie Widerwärtigkeiten erfahren , dachte ich, als ich sie losließ. Jetzt weiß sie nicht, wie sie es überstehen soll . Dann brachte die Kinderfrau die kleine Crispa herein. Sie war anderthalb und strahlend wie ein Sonnenschein. Ich setzte mich, damit ich meine Urenkelin umarmen konnte. Welche Zukunft erwartet dieses Kind? , fragte ich mich, als ich den süßen Dufte ihrer Haare einatmete.
    »Mein Crispus war kein Verräter«, murmelte Lena, als das Kind sich aus meiner Umarmung löste und zu ihr lief. »Das, was sie ihm nachsagen, hätte er niemals getan. Er liebte den Kaiser.«
    »Ich weiß, und ich schwöre dir, dass ich das Andenken an ihn in Ehren halten werde«, antwortete ich ihr. Die Crispus gewidmeten Inschriften wurden bereits gelöscht, seine Statuen entstellt in dem Versuch, die Vergangenheit durch damnatio memoriae (Verurteilung der Erinnerung) neu zu schreiben. »Du musst mir derweil schreiben und mir erzählen, wie es dir ergeht. Sei tapfer und gib deinem Kind zuliebe auf dich Acht.«
    Tränen traten ihr in die Augen. »Ich will es versuchen…«

    An jenem Abend traf der Hofstaat ein. Ich wartete auf eine Nachricht von Konstantin, doch am Morgen kam an seiner statt Bischof Ossius zu mir.
    »Er wartet auf dich.« Der Bischof warf mir einen kurzen Blick zu und schaute rasch zur Seite. »Ich weiß, was du sagen willst. Ich selbst habe versucht, dem Kaiser ob dieser… Gräueltat Vorhaltungen zu machen. Doch anscheinend hört er nicht auf mich. Ich glaube, es lässt ihm keine Ruhe, doch er will sich nicht damit auseinander setzen. Komm, vielleicht erreichen ihn die Worte einer Mutter, wenn meine es schon nicht vermögen.«
    »Wenn nicht«, sägte ich leise und nahm das in Seide gewickelte Bündel an mich, das ich von so weit her mitgebracht hatte, »dann habe ich hier etwas, dem es vielleicht gelingt.«
    Wir gingen über einen Flur, den entsetzte Gerüchte geleert hatten. Sie taten gut daran, dachte ich, als ich hinter Bischof Ossius herhinkte. Meine schwarzen Gewänder raschelten wie das Flüstern der Nemesis über die Fliesen. Wenn Götter streiten, müssen Sterbliche in Deckung gehen, damit sie nicht ein verirrter Blitzstrahl ebenfalls vernichtet.
    Konstantin saß in dem kleinen Speiseraum, dessen ockerfarbene Wände mit Szenen aus der Aeneis bemalt waren. Das Licht, das durch die Tür zum Garten hereinfiel, lag wie eine Schranke über dem Mosaikfußboden, doch der Kaiser saß im Schatten. Auf dem kleinen Intarsientisch stand ein Krug, und Konstantin hielt einen Weinbecher in der Hand. Ich blieb an der Tür stehen.
    »Augustus…«, sagte der Bischof leise.
    »Bist du gekommen, um mir erneut zuzusetzen, Ossius?«,

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