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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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wird Konstantin seinen Sohn nur kurzfristig unter Aufsicht halten , dachte ich. Aber warum sollte der Junge überhaupt im Gefängnis sitzen? Crispus war immerhin sein leibliches Kind, doch unwillkürlich fiel mir ein, dass seine Schwester Konstantina den Kaiser gebeten hatte, das Leben ihres Mannes und ihres Sohnes zu verschonen. Er hatte ihnen Sicherheit versprochen - und sie trotzdem hinrichten lassen. Ein ungutes Gefühl beschlich mich, als ich die Möglichkeit in Erwägung zog, mein Brief könnte den Kaiser nicht erreichen, oder, noch schlimmer, er nähme ihn sich nicht zu Herzen.
    Wenn ich schon nicht wusste, wo Konstantin war, so wusste ich zumindest, wo man Crispus gefangen hielt, und ich besaß die kaiserliche Verfügungsgewalt, die Konstantin mir übergeben hatte, als er Rom verließ. Meine Knochen schmerzten schon bei dem Gedanken an eine Reise, doch als die Sonne am nächsten Morgen aufging, saß ich in einer schnellen Kutsche, begleitet von einer Reitereskorte aus germanischen Wachen, die hinter mir herklapperten, und Cunoarda an meiner Seite, und war auf dem Weg in den Norden.
    In der sommerlichen Hitze war es eine schreckliche Reise, denn die kürzeste Strecke führte uns über den Flaminischen Weg entlang des Rückgrats von Italien. Wir wechselten an jeder Poststation die Pferde, und als wir nach einer Woche in Ancona an der Adria anlangten, war ich halb tot. Der Anblick des kaiserlichen Siegels und ein paar Goldstücke machten mir ein schnelles Liburnerschiff zu Diensten. Nach einem Tag und einer Nacht und einem weiteren Tag auf See kam die zerklüftete Küste der Halbinsel Istrien in Sicht.

    Ich werde mir Zugang zu meinem Enkel verschaffen und der Sache auf den Grund gehen , sagte ich mir, als die Sänfte, die wir im Hafen gemietet hatten, die Straße entlangschwankte. Wenn Crispus etwas getan hat, das der Kaiser falsch ausgelegt hat… Ich unterbrach den Gedankengang. Die ganze Woche hatte ich mir vorgestellt, was Konstantin wohl bewog, zu glauben, sein Sohn betrüge ihn. Weitere Mutmaßungen waren jetzt zwecklos.
    Pola war eine typische Provinzstadt mit rechtwinklig gezogenem Straßennetz, einem Amphitheater und Bädern am Rande, mit Tempeln, Läden und Wohnhäusern im Zentrum. Wir kamen durch das Tor auf das Forum und bahnten uns einen Weg zum Gerichtshof. Als ich auf den befehlshabenden Offizier meiner Wache wartete, der mir einen Zuständigen suchen sollte, merkte ich, dass die Menschen, die ich durch die Vorhänge der Sänfte sah, nicht gewöhnliches Volk war, das sich hier auf dem Markt versammelte.
    Männer, die meisten in der Toga eines Landbesitzers aus der Provinz, standen mit ernsten Gesichtern in Gruppen zusammen, als hätten sie diskutiert. Eine Spannung, die nicht dem plötzlichen Auftauchen einer Truppe Legionäre zuzuschreiben war, hing in der Luft.
    Ich werde keine Angst zulassen , sagte ich mir, oder voreilige Schlüsse ziehen. Ich bin so weit gekommen, jetzt kann ich auch noch ein wenig länger warten .
    Kurz darauf erschien mein Offizier mit einem schwitzenden Beamten im Schlepptau. Es liegt an der Hitze , dachte ich, doch unter dem Schweiß war das Gesicht des Mannes vor Angst kreidebleich. Ich hatte das Perlendiadem aufgesetzt, mit dem ich stets auf Münzen dargestellt wurde. Ich zog die Vorhänge beiseite, damit er es sah.
    »Ich bin Flavia Helena Augusta, und ich habe die Verfügungsgewalt des Kaisers. Ich wünsche meinen Enkel zu sehen - wie ich gehört habe, ist er hier.«
    »Ja, Augusta, aber…«, krächzte er.
    »Bring mich zu ihm.« Ich schwang die Beine über den Sänftenrand und wollte aussteigen.
    In seinem Gesicht arbeitete es. »Ja, Augusta…«
    In Begleitung von Cunoarda und meinem Offizier folgte ich dem Beamten in den Schatten der Basilika. Ich weiß noch, wie laut mein Stock auf den Fliesen klang, als wir die große Halle in der Mitte durchquerten, um zu den Schreibstuben dahinter zu gelangen. In solchen Augenblicken hält sich der Geist an kleinen Dingen fest.
    Vor einem der Räume stand eine Wache, doch die Tür war geöffnet. Der Beamte trat zur Seite, um mich einzulassen.
    Es war eine Schreibstube gewesen, die man in ein Gefängnis umgewandelt hatte, indem man den Schreibtisch durch ein Feldbett ersetzt hatte. Dort lag Crispus. Es bedurfte mehr als bloßer Willensanstrengung, weiterzugehen, während ich mit eigenartiger Teilnahmslosigkeit bemerkte, dass seine goldene Haut bereits fahl geworden und die Wangen eingefallen waren. So gesehen war die zarte

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