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Die Priesterin von Avalon

Die Priesterin von Avalon

Titel: Die Priesterin von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley , Diana L. Paxson
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füllten sich mit Tränen. Dann warf sie sich schluchzend in meine Arme.
    Weinend verharrten wir in dieser Haltung, während die weiße Mondsichel über den Himmel zog. Erst als Eldri sich knurrend zwischen uns hervorzwängte, merkte ich, wie viel Zeit vergangen war und dass wir nicht allein waren. Einen Augenblick lang hatte ich Frieden empfunden, während ich das Kind in den Armen hielt, doch jetzt verkrampfte sich mein Magen erneut. Die verhüllte Gestalt, die vor uns stand, war die Herrin von Avalon.
    »Dierna…«, sagte ich leise. »Es ist spät, und du musst ins Bett.« Sie versteifte sich, als sie ihre Großmutter sah, aber ich stellte sie bereits auf die Füße. »Lauf jetzt, und möge die Göttin deine Träume segnen.«
    Zuerst dachte ich, sie wollte unbedingt bleiben, um mich zu verteidigen. Vielleicht erkannte Dierna aber auch, dass sie Ganeda damit nur noch mehr erzürnen würde, denn sie verließ uns, ohne zu widersprechen, wenn sie sich auch mehrmals umschaute. Ich gestehe, dass ich versucht war, sie wieder zurückzurufen, als ich die Drohung im Schweigen der Herrin spürte, aber diese Auseinandersetzung hatte sich schon lange angebahnt, und ich wusste, ich musste mich ihr allein stellen.
    Ich stand auf. »Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann lass uns am Ufer entlanggehen, wo wir niemanden stören werden.« Ich war erstaunt, dass meine Stimme so gelassen klang, denn ich zitterte unter meinem Umhängetuch. Ich ging den Weg zu dem Pfad hinunter, der am See entlangführte, Eldri auf den Fersen.
    »Warum bist du zornig?«, fragte ich, als das Schweigen unerträglich wurde, ähnlich der Stille vor dem Sturm. »Missgönnst du deiner Enkelin das bisschen Trost, nur weil er von mir kommt?«
    »Du hast meine Schwester umgebracht, als du geboren wurdest…«, zischte Ganeda, »du hast Becca verwünscht, und jetzt versuchst du, das letzte Kind meines Blutes zu stehlen.«
    Ich starrte sie an. Wut verdrängte meine Furcht. »Du bist verrückt, alte Frau! Ich habe das kleine Mädchen geliebt, und der Tod meiner Mutter war für mich gewiss ein größerer Verlust als für dich. Aber ist es nicht so, dass unsere Entscheidungen dabei überhaupt keine Rolle spielen, oder waren all die Lehren von Avalon eine Lüge? Meine Mutter entschied sich, als Priesterin am Großen Ritual teilzunehmen, und als sie erfuhr, dass sie schwanger war, wollte sie das Kind behalten, obwohl sie sich des Risikos bewusst war. Und Becca hatte man gesagt, sie solle ihrer Schwester nicht nachgehen, doch sie hat sich anders entschieden.«
    »Sie war zu jung, um zu wissen…«
    »Und du, du hast entschieden, mich von den beiden Mädchen fern zu halten!«, wütete ich weiter. »Weißt du denn nicht, dass ich sie behütet hätte wie eine Bärin ihre zwei Jungen, nur um das Unglück zu verhindern, das ich vorausgesehen hatte? Vom ersten Augenblick an, da ich meinen Fuß auf Avalon setzte, hast du mich gehasst! Womit habe ich das nur verdient? Kannst du mir das sagen?«
    Ganeda packte mich am Arm, und als sie mich herumriss, damit ich sie anschaute, spürte ich, wie sich ihre Energie ausdehnte, und vor dem Zorn der Herrin von Avalon wirkte meine Wut plötzlich wie kindische Gereiztheit.
    »Du wagst es, so mit mir zu reden? Mit einem einzigen Wort könnte ich dich an Ort und Stelle auslöschen!« Schwungvoll hob sie den Arm, und die dunklen Falten ihres Gewandes rauschten wie die Flügel der Herrin der Raben. Ich duckte mich. Einen Augenblick lang war das Plätschern der Wellen am Ufer das einzige Geräusch.
    Dann stieg aus dem würzigen Geruch feuchter Erde und aus dem Rauschen des Wassers eine andere Form der Macht in mir auf, eine stetige, ausdauernde Kraft, fähig, alle Blitze abzufangen, die Ganedas mächtiger Zorn herabbeschwören mochte. Einen Augenblick lang wurde ich einer fundamentalen Kraft in mir gewahr, obwohl ich nicht wusste, ob es die Göttin selbst oder meine ewige Seele war. Langsam richtete ich mich auf, und als Ganeda meinem Blick begegnete, floss die Macht aus ihrem Körper, bis die Hohepriesterin nur noch eine alte, gebeugte Frau war, kleiner als ich.
    »Du bist die Herrin von Avalon«, sagte ich seufzend, »aber wir sind Töchter der Herrin, die über uns alle herrscht. Bei allem, was das Gute von Avalon betrifft, werde ich dir gehorchen, aber das tue ich, weil ich diese Wahl treffe.«
    Sie schaute zu mir auf. Der Mond zeichnete ihre gerunzelten Gesichtszüge in hellen und dunklen Linien nach.
    »Du bist jung«, sagte sie mit

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