Die Priesterin von Avalon
wider…
»Konstantin soll Kaiser werden!«
Dritter Teil
DER WEG ZUR WEISHEIT
15. Kapitel
A. D. 307-12
In all den Jahren, in denen ich als Konstantius' Gemahlin das Imperium bereiste, war ich nie in Italien gewesen. Rom hatte ich noch nicht gesehen, doch es hieß, Maximians neue Stadt Mediolanum in der norditalienischen Ebene sei beinahe ebenso prächtig. Das wollte ich gern glauben, nachdem die Straßen vom Frühjahrsregen reingewaschen und jeder Triumphbogen mit Blumengirlanden geschmückt war, während die Herren und Meister des Imperiums versuchten, durch die Vermählung von Maximians junger Tochter Fausta mit meinem Sohn Konstantin eine neue Verbindung zu schmieden.
Sie waren in dem Jahr verlobt worden, als Konstantius zum Cäsaren ernannt wurde. Damals war Fausta noch ein Kind, und in den langen Jahren, in denen Konstantin zunächst Diokletian, dann Galerius als Unterpfand diente, hätte es niemanden überrascht, wenn alle, einschließlich Konstantin, die potenzielle Beziehung vergessen hätten. Nur mir wurde immer deutlicher, dass Konstantin niemals etwas vergaß, das er als sein eigen in Anspruch genommen hatte. Ich hoffte, dieser Eigennutz würde ihn zur Zuneigung bewegen, und die Tatsache, dass Fausta in dem Bewusstsein aufgewachsen war, seine zukünftige Frau zu werden, würde sie zur Achtung anhalten, obwohl es anmaßend war, große Kameradschaft zu erwarten, wenn man eine Vierzehnjährige mit einem Fünfunddreißigjährigen vermählte.
Die vergangenen neun Monate waren in der Tat verwirrend gewesen. Obwohl die Truppen, angeführt von Crocus, Konstantin als Augustus ausgerufen hatten, war es ihm diplomatischer erschienen, nicht mehr als den Rang eines Cäsaren zu beanspruchen, als er Galerius davon in Kenntnis setzte, dass er einen neuen Herrscher an seiner Seite hatte. Maxentius, Maximians Sohn, hatte inzwischen beschlossen, seinem Beispiel zu folgen, und Maximian war aus seinem Ruhestand wieder aufgetaucht, um ihn zu unterstützen. Sie nannten sich jetzt alle Augustus.
Ich hätte mich damit begnügt, im Palast zu warten, doch Konstantin bestand darauf, dass seine ganze Familie an der Prozession teilnehmen sollte, einschließlich der Halbgeschwister, der Kinder Theodoras, die wir aus Treveri mitgebracht hatten. So sah ich Mediolanum also von der hohen Warte eines vergoldeten, mit Girlanden geschmückten Triumphwagens aus. Er war von rosa Seide überschattet, die farblich zwar nicht zu meiner purpurnen Palla passte, doch ich vertraute darauf, dass sie wenigstens meiner Gesichtsfarbe schmeichelte.
Dem Jubel nach zu schließen hatten Maximian und Konstantin, die nebeneinander herritten, den Triumphbogen passiert, der auf den Hauptplatz führte. Hinter mir verkündete aufbrausender Jubel die Ankunft der Braut in einem Streitwagen, der von vier schneeweißen Ponys gezogen wurde. Man hatte ihnen Flügel aufgebunden, sodass sie einem Pegasus in Kleinformat ähnelten. Das Gesicht der Braut war hinter der feuerroten Seide ihres Schleiers verborgen.
Ich wusste noch immer nicht, ob Crocus' Ausrufung Konstantin unverhofft getroffen oder ob er es geplant hatte. Rückblickend war es unvermeidlich, dass Konstantius' ältester Sohn die Herrschaft über das Imperium für sich reklamierte. Hätte er das nicht getan, hätte Galerius vermutlich einen Präventivschlag gegen ihn geführt. Warum sollte ich im Übrigen meinem Sohn vorwerfen, dass er sich genommen hatte, wozu er gezeugt und geboren war?
Konstantin hatte weise und entschlossen gehandelt, als er sich in Treveri niederließ, der Hauptstadt seines Vaters. Soweit bekannt war, bezog sich sein Ehrgeiz nur darauf, über die Gebiete seines Vaters zu herrschen, und jetzt huldigten ihm alle.
Es gab Tage, an denen mir alles wie ein Traum erschien. Mit Konstantius hätte ich das alles genießen können, doch mir fiel es schwer, daran zu glauben, dass ich hierher gehörte, zu einem Sohn, den ich liebte, aber kaum kannte. Dennoch hatte ich mein Haus in Londinium vermietet und meinen gesamten Haushalt nach Treveri verlegt, wo sich Drusilla meiner Küchen und Vitellia der übrigen Verwaltung annahmen, als wären sie dazu geboren, in Palästen zu leben. Meine Schülerinnen, Katiya und meine anderen Freunde in Londinium fehlten mir, aber Konstantins Begeisterung war ansteckend. Konstantius hatte seine Pflicht erfüllt, Konstantin hingegen genoss seine Machtstellung.
Als wir schließlich vor dem Palast ankamen, dröhnte mir der Kopf vor Lärm, und ich nahm erleichtert
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