Die Priesterin von Avalon
Wasser der Welt miteinander verbunden waren, und wo es Wasser gab, floss die Macht der Göttin.
Jemand berührte mich am Arm. Ich blinzelte. Viducius stand vor mir, denn er hatte seine Gebete beendet. Die Priesterin des Schreins wartete darauf, uns hinauszugeleiten. Unbeabsichtigt kam mir die Frage über die Lippen: »Wo ist die Quelle?«
Sie schaute mich überrascht an. Dann erfaßte ihr Blick den Halbmond auf meiner Stirn, und sie nickte mir mit kollegialer Achtung zu.
Sie bedeutete Viducius, stehen zu bleiben, und führte mich um das Bildnis herum an eine Öffnung im Boden. Vorsichtig folgte ich der Frau über eine Holztreppe hinab in die Krypta unter dem Heiligtum. Die Wände bestanden aus rohem Stein, und die Luft war feucht. Das flackernde Licht von Öllampen glitzerte auf den Plaketten und Bildern, die an den Wänden befestigt waren, und spiegelte sich in den trägen Wirbeln auf der dunklen Oberfläche des Teiches.
»Das Wasser des Rhenus ist brackig, wo es sich mit dem Meer vermischt«, sagte sie leise, »aber diese Quelle ist immer rein und gut. Welcher Göttin dienst du?«
»Elen von den Wegen«, antwortete ich ihr, »die vielleicht das Antlitz ist, das deine Herrin in Britannien trägt. Sie hat mich hierher geführt. Ich habe kein Gold, aber ich opfere dieses Armband aus britannischer Pechkohle, wenn ich darf.« Ich streifte den Armreif über die Hand und ließ ihn in die verborgenen Tiefen der Quelle fallen. Die Spiegelungen zersprangen wie Flitterplättchen, als er auf dem Wasser auftraf, und fügten sich dann wieder in einem hellen Wirbel zusammen.
»Nehalennia nimmt dein Opfer an…«, sagte die Priesterin leise. »Möge deine Reise gesegnet sein.«
Das Transportmittel, das Konstantius für uns gefunden hatte, war eine mit gesalzenem Fisch und Fellen beladene Barke, die von zwanzig Sklaven mühsam flussaufwärts gerudert wurde. Sie legte häufig an, um noch mehr Frachtgut aufzunehmen, doch die Verzögerungen erlaubten mir, allmählich eine Vorstellung von diesem neuen Land zu entwickeln, durch das ich reiste. In Ulpia Traiana, wo sich der Fluss durch eine sanfte Hügellandschaft wand, waren wir beim Befehlshaber des Kastells zum Abendessen geladen. Theoretisch diente er Tetricus, aber auch aus dem Oströmischen Reich sickerten Informationen flussabwärts, und Konstantius war begierig, Neues zu hören.
So erfuhren wir von dem bitteren Sieg am Mons Gessax in Thrakien, wo die Römer die letzten fliehenden Goten umzingelt hatten. Doch die Unfähigkeit des Befehlshabers, dessen Verstand nicht ausreichte, seine schwere Reiterei einzusetzen, um seinen Vorteil wirksam auszunutzen, hatte viele Menschenleben gekostet. Aurelian führte jetzt in Dakien seine Operationen gegen die Vandalen fort. Zumindest hatte es den Anschein, als sei die Bedrohung durch die Barbaren fürs Erste beigelegt.
Als wir wieder an Bord kamen, hatte sich uns ein neuer Passagier angeschlossen. Er hieß Pater Clemens, ein rundlicher kleiner Priester des christlichen Kultes, der vom Bischof von Rom zu den Gemeinden in den westlichen Ländern ausgesandt worden war. Ich betrachtete ihn neugierig, denn außer den Mönchen auf Inis Witrin war er der erste Priester seines Glaubens, den ich kennen lernte.
»O ja, in Eburacum gibt es auch Christen«, versicherte er uns, als Konstantius den Ort unserer Abreise nannte. »Eine kleine Gemeinde, gewiss, die sich in der Hauskirche einer tugendhaften Witwe trifft, aber sie sind stark im Glauben.« Pater Clemens nahm uns hoffnungsfroh in Augenschein und erinnerte mich dabei schmerzhaft an Eldri, wenn er auf einen Leckerbissen aus war.
Konstantius schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, ich diene dem Gott der Soldaten und dem ewigen Licht der Sonne, aber in eurem Glauben liegt viel Gutes. Eure Kirchen nehmen sich der Unglücklichen und Bedürftigen an, habe ich gehört.«
»So hat Gott es uns befohlen«, antwortete der Pater schlicht. »Und was ist mit dir, Herrin? Hast du das heilige Wort vernommen?«
»In der Nähe des Ortes, an dem ich aufwuchs, gab es eine Christengemeinde«, äußerte ich vorsichtig. »Aber ich folge Elen von den Wegen.«
Pater Clemens schüttelte den Kopf. »Christus ist der Weg, die Wahrheit und das Leben«, sagte er freundlich. »Alle anderen führen in die Verdammnis. Ich werde für euch beten.«
Ich erstarrte, doch Konstantius lächelte. »Die Gebete eines Mannes, der guten Willens ist, sind immer willkommen.« Er nahm mich am Arm und führte mich fort.
»Ich bin
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