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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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brüllte er, »kämpft für Rethra!«
    Ein Heer ergoß sich aus dem Wald, das unmöglich von den Redariern und ihren Verbündeten besiegt werden konnte: Sächsische Kurzschwerter blitzten auf, Lanzen ragten weit über die anstürmenden Krieger in den Himmel. Vorn eine Wand von lederbespannten Rundschilden. Schon krümmten sich im heranrückenden Heer die ersten Bögen. Pfeile wehten in die Burg, trafen Freund und Feind gleichermaßen. An das Schließen der Tore war nicht zu denken, sie wurden von Polaben und Ranen weit offengehalten.
    Mitten im Heer der Obodriten und Sachsen trafen sich drei behelmte Adlige. Sie warfen Blicke aus den Augenlöchern der eisernen Masken, dann entfaltete einer von ihnen ein großes Stück grünen Tuchs, knüpfte es an eine Lanze, reckte sie auf und schwenkte sie.
    Unordnung geriet in das Heer. Die Lanzen und Speerspitzen strömten plötzlich zum Wald zurück. Rasch teilte sich die Menge in sächsische Krieger und obodritische Axtschwinger. Aus dem Durcheinander eilte ein dickleibiger Mann im Hermelinmantel an die Sachsenführer heran, gefolgt von schwertbewehrten Benediktinern. »Was soll das?« fuhr er die Sachsen an. Der schwulstige Hals Bischof Altfrids rötete sich vor Zorn.
    Zur Antwort wies einer der Adligen mit dem Handschuhfinger auf den Franken, und Augenblicke später bohrten sich Wurfspeere in seine Brust. So starb Bischof Altfrid, der Gesandte Ludwigs des Deutschen, zwei Jahre nachdem er den Hildesheimer Dom eingeweiht hatte. Im Handumdrehen waren auch die schwarzen Kapuzen gemeuchelt, die ihn begleitet hatten.
    Die Obodriten fanden unerwartet einen tödlichen Feind in ihrem Rücken. Mit lautem Gebrüll griffen die Sachsen ihre Erzfeinde an. Ulmenholzbögen spannten sich, die Hanfschnüre pfiffen und ein Pfeilhagel prasselte auf Javors Heer nieder. Wurfspeere spießten stämmige Kriegerkörper auf, die langen Flügellanzen der Sachsen zeigten ihre Überlegenheit,indem sie sich hinter die Schilde der Obodriten hakten und sie ihnen von den Leibern rissen. Das Sax hielt blutige Ernte.
    In der Burg ging der Haufe unter Želechels Führung in den Angriff über. Vereint stürmten Zirzipanen und Redarier, Tollensanen und Kessiner gegen die Rebellen an. Tor für Tor, Turm für Turm eroberten sie Rethra zurück.
    Javor trat mit seinen Getreuen die Flucht an.
    Die Geister am Tempel standen, anstatt sich über das Feld von Sterbenden zu freuen, stumm. Bemalte Holzbohlen waren es, schweigsam und leblos. Ein Menschenopfer war angekündigt gewesen, und welches Menschenopfer wurde nun dargebracht! Es traf Männer, Frauen und Kinder, die nicht im geringsten damit gerechnet hätten, Teil des Rituals zu sein. An diesem Tag wünschten sie sich weit fort von Rethra.

Epilog
     
     
    Der Wind, der damals über das Land blies, streifte kaum eine menschliche Behausung. Es gab keine segelbespannten Mühlenarme, die ihn in Häppchen teilten, und nur spärlich duckten sich Häuser unter das Fauchen der Himmelswirbel. Ein freies Kind war er, rüttelte in Baumwipfeln, strich sanft durch das Gras wilder Wiesen, zottelte im Gefieder der Adler.
    In der Nähe des Tollensesees fing er sich im zarten Haarschopf eines Einjährigen. Das Spiel mit den sonnenweißen Kinderhaaren beruhigte ihn, und so blies er schwächer, säuselte hinauf in die Blätterkronen des Waldes, um die zwei Menschen zu beobachten, die den Weg verlassen hatten.
    Das Kind, auf dem Arm getragen, streckte das Händchen nach dem Hals der Mutter aus. Es betastete ein Kreuz. Als es das Silberding zum Mund führen wollte, zog die Mutter es ihm aus der Hand. »Nein, Liubin.«
    In der Ferne klopfte ein Specht auf einen hohlen Stamm. Es roch nach Bärlauch, scharf, beißend. Feines Kratzen ertönte. Ein Baumläufer: Der kleine Vogel hing kopfüber am Stamm einer Buche, drehte den Kopf nach Mutter und Kind, verharrte.
    Die Bäume standen dichter, je weiter sie sich vom Weg entfernten. Die Mutter wich dornigen Sträuchern aus, lief große Bögen, weil das Unterholz so dicht gewachsen war, daß sie keinen Durchlaß finden konnte. Immer weniger Licht drang durch das ineinandergreifende Blattwerk der Bäume. Würgepflanzen krochen an den Stämmen hinauf; es war ein grünes, wildes Reich, das sie betrat.
    Endlich blieb sie stehen. Sie ließ den Jungen auf ihremArm hüpfen. »Siehst du, Liubin? Hier war er zu Hause. Alle diese Pflanzen und Bäume hat er gekannt. Dein Vater baut Boote aus ihrem Holz, aber er, Uvelan, konnte mit ihnen Menschen heilen. Der

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