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Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Priestertochter: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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bückte sich, legte eine Schlaufe in die Vertiefung am unteren Ende des Bogenholzes, stand auf, ergriff das obere Stabende und zwang es herunter. Es beugte sich, knirschte leise. Mit weißen Fingern legte er eine zweite Schlaufe in eine Vertiefung am oberen Stabende.
    Nevopor ergriff den Bogen. »Einen Pfeil.« Als Barchan ihn hervorzog, schüttelte Nevopor den Kopf. »Nicht diesen. Einen mit weißen Federn aus dem Schwanzgefieder.«
    Er trat an die zweite weiße Stute heran, schwang sich hinauf. Durch die freie Gasse in der Menschenmenge ritt er hinab. Viele Köpfe zuckten. Schluchzen war zu hören; man warf ängstliche Blicke auf Nevopor, vorsichtige, zweifelnde.
    Ohne die Zügel loszulassen, öffnete er das Säckchen an seinem Gürtel und hob ein winziges Tongefäß heraus. Er entfernte den wächsernen Pfropfen, tunkte die Spitze des Pfeils hinein, einmal, zweimal, dreimal. Sorgfältig bemüht, ihn nicht mehr zu berühren, verschloß er das Gefäß wieder und verstaute es.
    Nevopor ritt aus der Vorburg heraus. Augenblicklich zog er die Zügel straffer, ließ die Stute den Schritt verlangsamen.Der Zug der Räuber hatte den Waldrand noch nicht erreicht.
    Er wartete. Kniff die Augen zusammen und folgte ihnen, ohne sie einzuholen. Sorgsam beobachtete er sie. Hob jemand den Speer gegen ihn?
    Endlich näherten sie sich dem Waldrand. »Jah!« gellte Nevopor, hieb der Stute die Fersen in den Bauch. Das Pferd trabte, galoppierte, preschte auf die Räuber zu. »O Svarožić«, keuchte er, »lenke meinen Arm! Mache die Hand ruhig, schärfe das Auge. Laß mich meinen Widersacher treffen!« In vollem Ritt spannte er den Bogen.
    Die Räuber flohen auf den Wald zu. Ihre Mäntel wehten. Gerade als die Schatten der Bäume sie zu verschlucken drohten, surrte der Pfeil von der Sehne. Er durchbohrte Uvelans Rücken.
    Daß sie ihn unter den Achseln ergriffen und in den Wald trugen, freute Nevopor. Mochten sie ihn fortschaffen, weit fort. Er wendete das Pferd, bremste es nach kurzer Strecke. Mit Mühe ließ er die Schultern hängen, zwang sich zu einem kraftlosen Gesicht, während er innerlich frohlockte.
    Am Tor erwarteten ihn Barchan, Miesko und Jarich. Er ritt stumm an ihnen vorüber. Erst als ihn die Volksmenge sehen konnte, rief er: »Es ist tatsächlich so. Sie sind unverwundbar. Mein Pfeil hat Uvelan getroffen, aber an seinem Körper prallte er ab wie an einem Felsen und ließ ihn unverletzt.«
    Stimmen brodelten auf. Erstaunte Gesichter wandten sich einander zu, die Menschen lächelten, glaubten, raunten sich ehrfürchtige Worte zu.
    »Wir haben uns geirrt mit dem Opfer. Der Lichtbringer wollte eines, und es war ein Fehler, ihm einen zweiten Menschen darbringen zu wollen. Er wird uns verzeihen. Die heiligen Waffen werden hierher zurückfinden.«
     
    Unter den ersten Bäumen des Waldes griff Alena nach dem Horn, das Javor ihr gegeben hatte. Sie setzte es an die Lippen und stieß hinein. Ein Blöken erscholl.

36. Kapitel
     
     
    Nevopor erstarrte auf seinem Pferd. »Sie hat die Wahrheit gesagt«, wisperte er. In der Menge entstand Bewegung, Fässer wurden geöffnet, Fellbündel aufgeschnürt, und gruppenweise zogen Männer Äxte hervor. Einer düsteren Ahnung folgend, gab Nevopor der Weißen die Fersen und preschte neben der Treppe zum Westtor hinauf.
    Überall entbrannten plötzlich Kämpfe zwischen Kessinern und Polaben, Tollensanen und Ranen. Želechel brüllte in der Nordhälfte der Vorburg: »Weletenbündler zu uns!« Zirzipanen, Redarier und Tollensanen strömten zu ihm, um sich mit den Kessinern zu vereinen. Viele starben auf dem Wege dorthin, wurden zu Boden gestoßen, niedergetrampelt, von polabischen oder ranischen Äxten erschlagen.
    Am Westtor kämpfte die Tempelgarde unter Barchans Führung, um den Hochpriester sicher in die Hauptburg zu schleusen.
    Bald zeigte sich, daß der Aufruhr gut vorbereitet war: Binnen kurzem waren sämtliche Tore und Türme in den Händen der Feinde, bis auf das Seetor hinter dem Tempel. Hier, in Tempelnähe, scharten sich die Redarier zusammen, um ihr Heiligtum und ihre Priester zu verteidigen. Viele waren waffenlos; der Weg in die Vorburg zu ihren Zelten scheiterte am Westtor, das in ranischen Händen lag.
    Vor dem Tempel stand Nevopor, rang die Hände, floh fassungslos mit dem Blick über die sich dahinschlachtende Menge. Er raufte sich den Bart, biß sich die Lippen wund. Bis er am Waldrand der Staubwolke gewahr wurde. Ein Angriff von außen, wie Alena versprochen hatte. »Kämpft«,

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