Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
zusammen gejagt – nur wir beide.«
»Ich finde es seltsam«, unterbrach mich Benedict, »daß zwei Rivalen wie ihr unter solchen Umständen zusammen auf die Jagd geht.«
Ich trank einen Schluck Wein und lächelte.
»Vielleicht war doch etwas mehr dahinter, als ich eben erkennen ließ«, sagte ich. »Vielleicht hießen wir beide die Gelegenheit zur Jagd willkommen – nur wir beide allein im Wald.«
»Ich verstehe«, sagte er. »Es wäre also denkbar, daß die Situation auf den Kopf gestellt worden wäre?«
»Nun«, erwiderte ich, »das ist schwer zu sagen. Ich glaube nicht, daß ich soweit gegangen wäre. Natürlich spreche ich von heute. Immerhin ändern sich die Menschen. Und damals ...? Ja, vielleicht hätte ich ihm dasselbe angetan. Ich vermag es nicht mit Sicherheit zu sagen, aber möglich ist es.«
Wieder nickte er, und ich spürte einen Anflug von Zorn in mir, der sofort in Belustigung umschlug.
»Zum Glück kommt es mir hier nicht darauf an, meine Motive zu erläutern«, fuhr ich fort. »Um meine Mutmaßungen fortzusetzen – ich glaube, daß Eric mir danach auf der Spur blieb. Gewiß war er zuerst enttäuscht, daß ich seinen Anschlag überlebt hatte, doch zugleich mußte er annehmen, daß ich ihm nicht mehr schaden konnte. Er sorgte also dafür, daß Flora mich im Auge behalten konnte, und die Welt drehte sich friedlich weiter, eine lange Zeit. Dann hat Vater vermutlich abgedankt und ist verschwunden, ohne die Frage der Nachfolge zu klären ...«
»Ach was!« sagte Benedict. »Eine Abdankung hat es nie gegeben! Er ist einfach verschwunden. Eines Morgens war er nicht mehr in seinen Räumen. Sein Bett war unberührt. Ein Brief oder ein sonstiger Hinweis war nicht zu finden. Man hatte ihn am Vorabend bemerkt, wie er die Zimmer betrat, doch niemand hat ihn fortgehen sehen. Sein Fehlen wurde zuerst nicht mal für absonderlich gehalten. Man nahm einfach an, er sei wieder einmal in den Schatten unterwegs, um sich womöglich eine neue Braut zu suchen. Es dauerte ziemlich lange, ehe jemand ein Verbrechen zu vermuten wagte oder den Umstand als eine neuartige Form der Abdankung hinzustellen beliebte.«
»Das war mir nicht bekannt«, sagte ich. »Deine Informationsquellen waren dem Kern der Dinge offenbar näher als meine.«
Daraufhin nickte er nur und löste damit in mir unangenehme Spekulationen über seine Kontakte in Amber aus. Vielleicht stand er neuerdings auf Erics Seite!
»Wann warst du denn zum letztenmal dort?« wagte ich mich vor.
»Gut zwanzig Jahre ist das jetzt her«, erwiderte er. »Doch ich halte Kontakt und lasse mich informieren.«
Nicht mit jemandem, der diesen Umstand mir gegenüber hatte erwähnen wollen! Und das mußte ihm bekannt sein; sollte ich seine Worte nun als Warnung verstehen – oder etwa als Drohung? Meine Gedanken überschlugen sich.
Natürlich besaß er ein Spiel mit den Haupttrümpfen. Ich blätterte sie im Geiste vor mir auf und ging sie hastig durch. Random hatte ahnungslos getan, als ich ihn nach Benedicts Verbleib befragte. Brand wurde schon lange vermißt. Ich hatte einen Hinweis darauf, daß er noch lebte, als Gefangener an einem unbekannten üblen Ort, unfähig, Informationen über die Geschehnisse in Amber zu erlangen. Flora konnte seine Kontaktperson auch nicht gewesen sein, da sie bis vor kurzem in den Schatten praktisch im Exil gelebt hatte. Llewella hielt sich in Rebma auf, Deirdre ebenfalls; als ich sie zum letztenmal sah, war sie außerdem in Amber in Ungnade gewesen. Fiona? Julian hatte mir gesagt, sie sei »irgendwo im Süden«. Er wußte nicht genau, wo. Wer blieb nun noch übrig?
Eric selbst, Julian, Gérard oder Caine. Eric kam nicht in Frage. Der hätte niemals Einzelheiten über Vaters Nichtabdankung auf eine Weise verbreitet, die es Benedict ermöglichte, sich eine solche Meinung zu diesem Thema zu bilden. Julian stand hinter Eric, war allerdings nicht ohne persönlichen Ehrgeiz. Wenn es ihm nützen konnte, würde er Informationen weitergeben. Das gleiche galt für Caine. Gérard dagegen hatte auf mich immer den Eindruck gemacht, als interessiere ihn das Wohl Ambers mehr als die Frage, wer denn auf seinem Thron saß. Seine Sympathie für Eric hielt sich allerdings in Grenzen, und er war einmal bereit gewesen, Bleys oder mich gegen ihn zu unterstützen. Meiner Auffassung nach hätte er Benedicts Informiertheit über die Ereignisse als eine Art Rückversicherung für das ganze Land angesehen. Ja, mit ziemlicher Sicherheit war es einer dieser drei.
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