Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
Aus zusammengekniffenen Augen starrte er mich an.
»Ja«, sagte er.
»Wer war das – der Mann, den wir meinen?«
»Einer von den Alten. Vor meiner Zeit. Ich weiß es nicht mehr.«
»Ich auch nicht. Nun ja ...« Er zuckte die Achseln. »Ist auch unwichtig. Geht weiter, Corey. Antwortet ehrlich auf alle Fragen, dann geschieht Euch nichts.«
Ich wandte mich ab und ließ ihn im Mondlicht stehen. Er kratzte sich am Kopf und blickte mir irritiert nach.
Die Männer, die uns bewachten, gehörten nicht zum gesprächigen Typ. Was mir nur recht war.
Während wir den Hang hinabstiegen, dachte ich an die Aussage des jungen Soldaten und an die Lösung des Konflikts, den er beschrieben hatte – ich hatte hier nun die physische Analogie der gewünschten Welt erreicht und mußte mit der existierenden Situation fertig werden.
Im Lager herrschte ein angenehmer Geruch nach Mensch und Tier, nach Holzrauch, gebratenem Fleisch, Leder und Öl. All dies vermengte sich im Feuerschein, wo die Männer sich unterhielten, Waffen schliffen, ihre Ausrüstung reparierten, aßen, spielten, schliefen, tranken – und uns beobachteten, wie wir unsere Pferde mitten durch das Lager führten und uns einem fast in der Mitte gelegenen Trio zerschlissener Zelte näherten. Die Sphäre des Schweigens um uns wurde immer größer, je weiter wir vordrangen.
Vor dem zweitgrößten Zelt hielt man uns an, und einer unserer Wächter sprach mit einem Posten, der vor dem Zelt auf und ab ging. Der Mann schüttelte mehrmals den Kopf und deutete auf das größte Zelt. Das Gespräch dauerte einige Minuten, ehe unser Wächter zu uns zurückkehrte und mit seinem Begleiter sprach, der links von uns wartete. Schließlich nickte unser Begleiter und kam auf mich zu, während die anderen vom nächstgelegenen Lagerfeuer einen Mann herbeiriefen.
»Die Offiziere halten im Zelt des Protektors eine Versammlung ab«, sagte er. »Wir werden Eure Pferde anbinden und grasen lassen. Nehmt die Sättel ab und legt sie hierhin. Ihr müßt warten. Später wird der Hauptmann Euch rufen lassen.«
Ich nickte, und wir machten uns daran, unsere Besitztümer abzuschnallen und die Pferde trockenzureiben. Ich tätschelte Star am Hals und sah zu, wie ein kleiner humpelnder Mann ihn und Ganelons Feuerdrachen zu den anderen Pferden führte. Dann ließen wir uns auf unseren Bündeln nieder und warteten. Einer der Posten brachte uns heißen Tee und erhielt dafür eine Pfeifenfüllung von meinem Tabak. Anschließend zogen sich die beiden Wächter ein Stück zurück.
Ich beobachtete das große Zelt, trank meinen Tee und dachte an Amber und den kleinen Nachtclub in der Rue de Char et Pain in Brüssel, auf jener Schatten-Erde, die solange meine Heimat gewesen war. Sobald ich mir das Juweliersrouge beschafft hatte, das ich brauchte, wollte ich nach Brüssel zurückkehren, um noch einmal Geschäfte zu machen mit den Händlern der Waffenbörse. Meine Bestellung war kompliziert und teuer, das war mir klar, denn sie setzte voraus, daß ein Munitionsfabrikant einen speziellen Herstellungsgang für mich einrichtete. Auf jener Erde hatte ich dank meiner zeitweiligen militärischen Tätigkeit außer Interarmco noch andere Verbindungen, und ich nahm an, daß mich die Beschaffung des Gewünschten nur einige Monate kosten würde. Ich begann mich mit den Einzelheiten zu befassen, und die Zeit verging fast unbemerkt.
Nach etwa anderthalb Stunden gerieten die Schatten des großen Zelts in Bewegung. Es dauerte aber noch mehrere Minuten, bis die Eingangsplane zur Seite geworfen wurde und Männer ins Freie traten, langsam, sich unterhaltend und über die Schulter ins Zelt blickend. Die letzten beiden verweilten am Eingang, ins Gespräch vertieft mit jemandem, der im Innern blieb. Die übrigen Männer verteilten sich auf die anderen Zelte.
Die beiden am Eingang schoben sich seitlich ins Freie. Ich hörte ihre Stimmen, doch ich vermochte nicht zu verstehen, was sie sagten. Als sie weiter herauskamen, bewegte sich auch der Mann, mit dem sie sprachen, und ich vermochte einen Blick auf ihn zu werfen. Er hatte das Licht im Rücken, und die beiden Offiziere standen im Wege, doch ich vermochte zu erkennen, daß er dünn und sehr groß war.
Unsere Wächter hatten sich noch nicht geregt, was mir darauf hinzudeuten schien, daß einer der beiden Offiziere der vorhin erwähnte Hauptmann sein müsse. Ich starrte weiter in das Zelt, versuchte die Männer durch meine Willenskraft dazu zu bringen, sich weiter zu entfernen und
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