Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
Wurzeln gestanden hatte.
»Ich hoffe, daß sich die Ameisen nicht schon darüber hergemacht haben«, sagte sie, ging zu einer schattigen Stelle am Fluß und breitete ein Tuch auf dem Boden aus.
Ich hängte die Fechtausrüstung auf einen Busch in der Nähe.
»Ihr scheint eine ganze Menge Sachen mit Euch herumzuschleppen«, bemerkte ich.
»Mein Pferd steht dort hinten«, erwiderte sie und deutete mit einer Kopfbewegung flußabwärts.
Dann widmete sie sich wieder der Aufgabe, das Tuch zu beschweren und den Korb auszupacken.
»Warum dort hinten?« fragte ich.
»Damit ich mich an Euch heranschleichen konnte, natürlich. Bei Hufschlag wärt Ihr doch sicher sofort aufgewacht.«
»Da habt Ihr wahrscheinlich recht«, sagte ich.
Sie schwieg einen Augenblick lang, als hinge sie ernsten Gedanken nach, um diesen Eindruck schließlich mit einem Kichern verfliegen zu lassen.
»Trotzdem – beim erstenmal habt Ihr mich nicht gehört. Aber immerhin ...«
»Beim erstenmal?« fragte ich, da sie die Frage offenbar von mir erwartete.
»Ja. Ich hätte Euch vorhin fast niedergeritten«, sagte sie. »Ihr habt fest geschlafen. Als ich Euch erkannte, bin ich nach Hause zurückgeritten und habe den Picknickkorb und die Fechtsachen geholt.«
»Ich verstehe.«
»Kommt und setzt Euch«, sagte sie. »Und öffnet doch bitte die Flasche, ja?«
Sie stellte eine Flasche vor mich hin und packte vorsichtig zwei Kristallkelche aus, die sie auf das Tuch stellte.
Ich begab mich an meinen Platz und setzte mich.
»Das ist Benedicts bestes Kristall«, stellte ich fest, als ich die Flasche öffnete.
»Ja«, sagte sie. »Seid vorsichtig beim Eingießen. Vielleicht sollten wir lieber nicht anstoßen.«
»Da habt Ihr sicher recht«, sagte ich und schenkte ein.
Sie hob das Glas.
»Auf das Wiedersehen«, sagte sie.
»Was für ein Wiedersehen?«
»Das unsere.«
»Ich habe Euch noch nie zuvor gesehen.«
»Seid nicht so prosaisch«, bemerkte sie und trank einen Schluck.
Ich zuckte die Achseln. »Auf unser Wiedersehen.«
Daraufhin begann sie zu essen, und ich tat es ihr nach. Sie hatte so viel Spaß an der Atmosphäre der Rätselhaftigkeit, die sie geschaffen hatte, daß ich gern auf ihr Spiel einging, nur um sie fröhlich zu sehen.
»Wollen mal sehen – woher könnten wir uns kennen?« fragte ich. »Von einem großen Hof? Vielleicht aus einem Harem ...?«
»Vielleicht aus Amber«, sagte sie. »Ihr wart dort ...«
»Amber?« fragte ich und mußte daran denken, daß ich hier Benedicts Glas in der Hand hielt, und beschränkte meine Emotionen auf die Stimme. »Wer seid Ihr eigentlich?«
»... Dort standet Ihr – gutaussehend, eingebildet, von allen Damen bewundert«, fuhr sie fort. »Und ich – ein unansehnliches kleines Ding, das Euch aus der Ferne anhimmelte. Ein graues, ganz und gar nicht lebhaftes Geschöpf, die kleine Dara – ein Spätentwickler, wie ich noch schnell hinzufügen möchte –, die sich nach Euch verzehrte ...«
Ich murmelte eine Verwünschung vor mich hin, und sie lachte erneut.
»War es nicht so?« fragte sie.
»Nein«, entgegnete ich und tat mich noch einmal an Fleisch und Brot gütlich. »Es dürfte sich eher um jenes Freudenhaus gehandelt haben, in dem ich mich am Rükken verletzte. In dieser Nacht war ich betrunken ...«
»Ihr erinnert Euch also!« rief sie. »Ich habe dort ausgeholfen. Tagsüber ritt ich Pferde ein.«
»Ich geb´s auf«, sagte ich und schenkte Wein nach.
Am meisten irritierte mich die Tatsache, daß sie mir wirklich verdammt bekannt vorkam. Nach ihrem Aussehen und Verhalten schätzte ich ihr Alter allerdings auf etwa siebzehn Jahre – und das schloß eine frühere Begegnung so ziemlich aus.
»Hat Euch Benedict das Fechten beigebracht?« fragte ich.
»Ja.«
»Was bedeutet er Euch?«
»Er ist natürlich mein Liebhaber«, erwiderte sie. »Er behängt mich mit Schmuck und Pelzen.«
Wieder lachte sie.
Ich nahm den Blick nicht von ihrem Gesicht.
Ja, möglich war es ...
»Ich bin gekränkt«, sagte ich schließlich.
»Warum?« fragte sie.
»Benedict hat mir keinen reinen Wein eingeschenkt.«
»Reinen Wein?«
»Ihr seid seine Tochter, nicht wahr?«
Ihr Gesicht rötete sich, doch sie schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte sie. »Aber Ihr kommt der Sache schon näher.«
»Enkelin?«
»Na ja ... gewissermaßen.«
»Das verstehe ich nicht ganz.«
»Großvater – so soll ich ihn immer nennen. Doch in Wirklichkeit ist er der Vater meiner Großmutter.«
»Ich verstehe. Habt Ihr noch
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