Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
zu sagen habe«, sagte er. »Es wird kommen, wie es kommen muß. Wenn du während deiner langen Abwesenheit für diesen Stand der Dinge gesorgt und dabei vielleicht sogar Vater und Brand zum eigenen Vorteil von der Bühne geschafft hast, dann setze ich das mit dem Versuch gleich, jeglichen Widerstand in der Familie gegen deine Machtergreifung auszuschalten.«
»Wenn das so wäre – hätte ich mich dann Eric ausgeliefert, um mich blenden und gefangennehmen zu lassen?«
»Hör mich zu Ende an!« sagte er. »Vielleicht hast du ja Fehler gemacht, die zu diesen Ereignissen führten. Das ist inzwischen egal. Du magst so unschuldig sein, wie du sagst, oder denkbar schuldig. Sieh in die Schlucht hinab, Corwin. Das ist alles. Schau hinab auf die schwarze Straße. Der Tod steht am Ende deines Weges, wenn diese Straße dein Werk ist. Ich habe dir wieder einmal meine Kräfte bewiesen, die du vielleicht vergessen hattest. Ich kann dich töten, Corwin. Und sei dir nicht zu sicher, daß dich deine Klinge schützen würde, wenn ich noch einmal Hand an dich legen kann. Ich werde rücksichtslos sein, um mein Versprechen einzulösen. Und dieses Versprechen lautet, daß ich dich töte, sobald ich erfahre, daß du wirklich schuldig bist. Du solltest dir außerdem klarmachen, daß mein Leben geschützt ist, Corwin, denn es ist jetzt mit dem deinen verbunden!«
»Wie meinst du das?«
»In diesem Augenblick sind alle anderen durch meinen Trumpf bei uns – sie beobachten uns und hören jedes Wort. Du kannst jetzt nicht mehr für meine Beseitigung sorgen, ohne der gesamten Familie deine Absichten zu offenbaren. Wenn ich meineidig sterbe, kann mein Versprechen dennoch gehalten werden.«
»Ich verstehe«, sagte ich. »Und wenn jemand anders dich umbringt? Damit beseitigt er zugleich mich. Dann bleiben noch Julian, Benedict, Random und die Mädchen für die Barrikaden. Auf diese Weise steht der große Unbekannte, wer immer er ist, noch besser da. Wer ist überhaupt auf diese Sache gekommen?«
»Ich! Ich allein!« sagte er, und ich spürte, wie sich seine Hände verkrampften, wie seine Arme zitterten. »Du versuchst nur wieder alles durcheinanderzubringen – wie immer!« stöhnte er. »Es ist alles erst schlimm geworden, als du zurückkamst! Verdammt, Corwin! Ich glaube, es ist alles deine Schuld!«
Dann schleuderte er mich in die Luft.
»
Unschuldig,
Gérard!« Mehr brachte ich in diesem Augenblick nicht heraus.
Im nächsten Augenblick fing er mich auf – ein gewaltiger Griff, der seine Schultern erbeben ließ – und zog mich vom Abgrund zurück. Er schwang mich landeinwärts um sich herum und stellte mich auf die Füße. Dann entfernte er sich in Richtung der Kiesgrube, in der wir gekämpft hatten. Ich folgte ihm, und wir suchten unsere Sachen zusammen.
Als er seinen großen Gürtel festmachte, sah er mich an und blickte wieder fort.
»Wir reden nicht mehr darüber«, sagte er.
»Schön.«
Ich machte kehrt und ging zu den Pferden. Wir stiegen auf und setzten unseren Weg fort.
Die Quelle plätscherte ihre leise Musik in dem Wäldchen. Die Sonne flocht Lichtlinien zwischen den Bäumen. Auf dem Boden schimmerte noch etwas Tau. Die Grasstücke, die ich für Caines Grab ausgestochen hatte, fühlten sich feucht an.
Ich holte den Spaten, den ich im Gepäck hatte, und öffnete das Grab. Wortlos half mir Eric, den Toten auf das Stück Segeltuch zu legen, das wir zu diesem Zweck mitgebracht hatten. Wir falteten das Tuch über dem Toten zusammen und nähten es mit großen Stichen zu.
»Corwin! Schau!« Gérards Stimme war ein Flüstern; seine Hand schloß sich um meinen Ellbogen.
Ich folgte seinem Blick und erstarrte. Keiner von uns beiden bewegte sich, während wir die Erscheinung beobachteten – ein sanftes weißes Licht hüllte sie ein, als wäre sie mit Federn bedeckt, nicht mit Fell – die winzigen Hufe schimmerten golden, ebenso das dünne, gedrechselt wirkende Horn, das dem schmalen Kopf entragte. Das Geschöpf stand auf einem Felsbrocken und fraß von den Flechten, die dort wuchsen. Die Augen, die sich hoben und in unsere Richtung blickten, waren hellgrün. Einige Sekunden lang schloß es sich unserer Reglosigkeit an. Dann machte es eine schnelle, nervöse Bewegung mit den Vorderhufen, ließ sie durch die Luft wirbeln und dreimal auf das Gestein schlagen, dann verschwamm es vor unseren Augen und verschwand wie eine Schneeflocke, lautlos, im Wald zu unserer Rechten.
Ich richtete mich auf und ging zu dem Stein. Gérard
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