Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
Notaufnahme Dienst, vor etwa sieben Jahren, als Sie Ihren Autounfall hatten. Ich erinnere mich, daß ich Sie damals behandelt habe – und daß ich der Meinung war, Sie würden es nicht schaffen. Doch Sie haben mich eines Besseren belehrt – und auch heute sind Sie für mich eine Überraschung. Ich kann nicht einmal die Narben finden, die Sie eigentlich haben müßten. Sie haben sich verdammt gut herausgemacht.«
»Vielen Dank. Das ist sicher dem Chirurgen zu verdanken.«
»Würden Sie mir für die Unterlagen bitte Ihr Alter nennen?«
»Sechsunddreißig«, erwiderte ich. Das ist eine neutrale Zahl.
Er machte einen Vermerk in der Akte, die auf seinen Knien lag.
»Wissen Sie, als ich mich mit Ihnen zu beschäftigen begann und meine Erinnerungen zurückkamen – da hätte ich schwören können, daß Sie damals schon genauso ausgesehen haben.«
»Ich lebe eben gesund.«
»Kennen Sie Ihre Blutgruppe?«
»Eine ziemlich ausgefallene. Aber Sie können sie als AB positiv ansehen. Ich kann alles aufnehmen – doch Sie dürfen mein Blut niemandem geben.«
Er nickte.
»Ihr Mißgeschick macht natürlich die Einschaltung der Polizei erforderlich.«
»Das hatte ich mir schon gedacht.«
»Vielleicht wollen Sie noch ein bißchen darüber nachdenken.«
»Vielen Dank«, sagte ich. »Sie hatten also damals Dienst – und flickten mich zusammen? Das ist interessant. Woran erinnern Sie sich sonst noch?«
»Was meinen Sie?«
»Ich meine die Umstände, unter denen ich damals eingeliefert wurde. Meine Erinnerungen setzen leider kurz vor dem Unfall aus und beginnen erst wieder, als ich längst in die andere Klinik verlegt worden war – Greenwood. Erinnern Sie sich noch, wie ich hergebracht wurde?«
Er runzelte die Stirn – nachdem ich gerade zu dem Schluß gekommen war, daß er nur einen einzigen Gesichtsausdruck kannte.
»Wir haben einen Krankenwagen losgeschickt«, sagte er.
»Woraufhin?« wollte ich wissen. »Wer hat den Unfall gemeldet? Wie ist das vor sich gegangen?«
»Jetzt weiß ich, was Sie meinen«, sagte er. »Die Staatspolizei hat den Krankenwagen angefordert. Soweit ich mich erinnere, hatte jemand den Unfall gesehen und in der Polizeizentrale angerufen. Von dort wurde ein Streifenwagen in der Nähe verständigt. Der fuhr zum See, bestätigte die Meldung, leistete Erste Hilfe und rief den Krankenwagen. Das war alles.«
»Gibt es einen Hinweis darauf, wer den ersten Anruf getätigt hat?«
»Um solche Dinge kümmern wir uns normalerweise nicht«, entgegnete er. »Hat Ihre Versicherung das nicht ermittelt? Wurden keine Ansprüche erhoben? Die Leute könnten Ihnen sicher ...«
»Ich mußte unmittelbar nach meiner Gesundung ins Ausland«, sagte ich. »Diesen Aspekten bin ich also gar nicht nachgegangen. Doch sicher hat es einen Polizeibericht gegeben.«
»Klar. Aber ich habe keine Ahnung, wie lange die aufbewahrt werden.« Er lachte leise. »Es sei denn, die Polizei hat sich vom selben Vertreter breitschlagen lassen ... Es scheint mir aber ziemlich spät zu sein, sich darüber Gedanken zu machen. Ich glaube, bei solchen Dingen gibt es eine Verjährungsfrist. Ihr Freund Roth kann Ihnen das bestimmt genau sagen.«
»Es geht mir nicht um Ansprüche an die Versicherung«, sagte ich. »Ich will nur wissen, was wirklich passiert ist. In den letzten Jahren habe ich mir öfter Gedanken darüber gemacht. Wissen Sie, ich leide an retrograder Amnesie.«
»Haben Sie schon einmal mit einem Psychiater gesprochen?« fragte er in einem Ton, der mir gar nicht gefiel. Gleich darauf kam mir eine auflodernde Erkenntnis: War es Flora vielleicht gelungen, mich für verrückt erklären zu lassen, ehe ich nach Greenwood verlegt wurde? War das vielleicht in meiner Akte hier verzeichnet? Und galt ich dort womöglich noch als flüchtig? Inzwischen war viel Zeit vergangen, und ich hatte keine Ahnung von den einschlägigen Vorschriften. Wenn die Verhältnisse wirklich so waren, wußte man hier sicher nicht, ob ich vielleicht bei einer anderen Behörde wieder für zurechnungsfähig erklärt worden war. Vermutlich war es die Vorsicht, die mich veranlaßte, den Kopf zu heben und einen Blick auf sein Handgelenk zu werfen. Ich glaubte im Unterbewußtsein wahrgenommen zu haben, wie er auf eine Kalenderuhr blickte, als er meinen Puls maß. Ja, richtig! Ich kniff die Augen zusammen. Also schön. Tag und Monat: 28. November. Ich rechnete hastig mit meiner Zweieinhalb-zu-eins-Formel und hatte das Jahr. Es war tatsächlich sieben Jahre her, wie er
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