Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
außerhalb Ambers erklärt. Demnach sind wir nämlich die Spielzeughersteller, und alles andere ist unser Spielzeug – gewiß, zuweilen gefährlich aktiviert, doch auch dies gehört zum Spiel. Der Veranlagung nach sind wir Impresarios und behandeln die anderen Familienangehörigen entsprechend. Während der Solipsismus gewisse Reibungsflächen mit der Ursachenforschung hat, kann man diese Problematik leicht vermeiden, indem man Fragen überhaupt nicht erst aufkommen läßt. Die meisten tun das, die meisten von uns handeln, wie ich schon oft festgestellt habe, in der Abwicklung ihrer Angelegenheiten fast völlig pragmatisch. Fast ...
Und doch – und doch enthält das Bild ein störendes Element. Es gibt einen Ort, da die Schatten verrückt spielen ... Wenn man sich bewußt durch eine Schattenschicht nach der anderen drängt und dabei mit jedem Schritt – wiederum bewußt – ein Stück des eigenen Verstehens aufgibt, erreicht man schließlich einen verrückten Punkt, über den man nicht hinauskommt. Warum so etwas tun? Ich würde sagen, hier wirkt die Hoffnung auf eine neue Einsicht oder auf ein neues Spiel ... Doch wenn man diesen Ort erreicht, wie wir es alle getan haben, wird einem klar, daß man die Grenzen der Schatten oder die eigenen Grenzen erreicht hat – gleichbedeutende Begriffe, so haben wir immer angenommen. Jetzt aber ...
Jetzt aber weiß ich, daß das nicht so ist, ich weiß es, während ich hier vor dem Gericht des Chaos stehe und erzähle, wie es war, jetzt weiß ich, daß das nicht so ist. Auch damals erkannte ich es schon, in jener Nacht in Tir-na Nog´th; ich hatte es sogar schon vorher gewußt, als ich im Schwarzen Kreis von Lorraine gegen den Ziegenmenschen kämpfte; ich hatte es im Leuchtturm von Cabra geahnt, nach meiner Flucht aus den Verliesen Ambers, als ich das zerstörte Garnath-Tal betrachtete ... Ich wußte, daß dies nicht alles war. Ich wußte es, weil ich erkannte, daß die Schwarze Straße über diesen Punkt hinausführte. Sie führte durch den Wahnsinn in das Chaos und war dann immer noch nicht zu Ende. Die Geschöpfe, die die Straße benutzten, kamen von irgendwoher, doch es waren nicht meine Geschöpfe. Ich hatte irgendwie dazu beigetragen, daß ihnen der Weg geebnet wurde, doch sie entsprangen nicht meiner Version der Wirklichkeit. Sie waren eigenständig oder das Produkt eines anderen – eine Frage, die in diesem Augenblick von geringer Bedeutung war –, sie rissen Löcher in das kleine Netz der Metaphysis, das wir über die Jahre hin geknüpft hatten. Sie waren in unser Reservat eingedrungen, dem sie nicht entstammten; sie bedrohten unser Refugium, sie bedrohten uns. Fiona und Brand hatten über alle Grenzen hinausgegriffen und etwas gefunden, an einem Ort, da es nach Auffassung der übrigen nichts mehr hätte geben dürfen. Die entfesselte Gefahr war in einer Weise fast den Beweis wert, den sie brachte: wir waren nicht allein, und ebensowenig waren die Schatten wirklich unsere Spielzeuge. Wie immer unsere Beziehung zu den Schatten aussehen mochte, ich konnte sie nie wieder im alten Licht sehen ...
Und das alles, weil die Schwarze Straße nach Süden führte und über mein Ende der Welt hinauslief.
Stille und Silber ... Mich von dem Geländer entfernen, mich dabei auf den Stock stützen, durch den nebeldurchwirkten, dunstverflochtenen, mondlichtbestrichenen Stoff des Sehens innerhalb der beunruhigenden Stadt gehen ... Gespenster ... Schatten von Schatten ... Abbilder der Wahrscheinlichkeit ... Bilder des Vielleicht-Später und des Hätte-Sein-Könnens ... Bilder der versunkenen Wahrscheinlichkeit ... der wieder aufflackernden Wahrscheinlichkeit ...
Jetzt über die Promenade ... Gestalten, Gesichter, viele vertraut ... Was führen sie im Schilde? Schwer zu sagen ... Einige Lippen bewegen sich, einige Gesichter sind in Bewegung. Hier gibt es für mich keine Worte. Unbemerkt gehe ich zwischen ihnen hindurch.
Dort ... Eine Gestalt ... Allein, doch wartend ... Finger, die Minuten umklammernd und wegwerfend ... Das Gesicht abgewandt, das ich sehen möchte ... Ein Zeichen, daß ich es sehen werde oder sehen sollte ... Sie sitzt auf einer Steinbank unter einem verkrüppelten Baum ... Sie blickt zum Palast hinüber ... Ihre Umrisse sind mir bekannt ... Im Näherkommen sehe ich, daß es sich um Lorraine handelt ...Sie starrt auf einen Punkt weit hinter mir, hört mich nicht sagen, daß ich ihren Tod gerächt habe.
Doch ich habe die Macht, mir hier Gehör zu verschaffen ...
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