Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
Arbeit«, sagte Ganelon. »Freut mich, daß ihr mir mein Schmuckstück zurückgebracht habt. Ich brauche es bald.«
FÜNFTER ROMAN
Die Burgen des Chaos
1
Amber: hellstrahlend auf dem Gipfel Kolvirs inmitten des Tages. Eine schwarze Straße: vom Chaos aus dem Süden durch Garnath herbeiführend, flach und finster. Ich: fluchend und hin und her schreitend, ein gelegentlicher Benutzer der Bibliothek des Palasts von Amber. Die Tür zu dieser Bibliothek: verschlossen und verriegelt.
Der verrückte Prinz von Amber setzte sich an den Tisch, richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das geöffnete Buch. Es klopfte an die Tür.
»Verschwinde!« rief ich.
»Corwin. Ich bin es – Random. Mach auf, ja? Ich habe dir sogar etwas zu essen mitgebracht.«
»Einen Augenblick.«
Ich stand auf, ging um den Tisch, durchquerte den Raum. Als ich die Tür öffnete, nickte Random. Er hielt ein Tablett in der Hand, das er auf einem kleinen Tisch neben dem Lesepult abstellte.
»Das ist ja reichlich«, stellte ich fest.
»Ich habe auch Hunger.«
»Also tu etwas dagegen.«
Dieser Aufforderung kam er nach. Er führte das Messer. Er reichte mir Fleischstücke auf einem Brotstück. Er schenkte Wein ein. Wir nahmen Platz und aßen.
»Ich weiß, du bist immer noch sehr zornig ...«, sagte er nach längerer Zeit.
»Und du bist das nicht mehr?«
»Nun ja, vielleicht habe ich mich schon mehr an das Gefühl gewöhnt. Ich weiß es nicht. Trotzdem ... Ja, es kam irgendwie plötzlich, nicht wahr?«
»Plötzlich?« Ich trank einen großen Schluck Wein. »Es ist im Grunde wie früher. Nein, schlimmer. Irgendwie hatte ich ihn sogar gemocht, solange er uns den Ganelon vorspielte. Wo er nun wieder das Sagen hat, gibt er sich so herrisch wie eh und je. Er hat uns Befehle zugebrüllt, die in allen Punkten unerklärt geblieben sind, und dann ist er von neuem verschwunden.«
»Er hat aber gesagt, er würde sich bald wieder melden.«
»Das hatte er das letzte Mal wohl auch vor.«
»Dessen bin ich nicht so sicher.«
»Und seine erste Abwesenheit hat er nicht erläutert. Im Grunde hat er uns
gar
nichts erklärt.«
»Dafür hat er sicher seine Gründe.«
»Daran beginne ich zu zweifeln, Random. Glaubst du, daß er allmählich den Verstand verliert?«
»Jedenfalls hat er bei ihm noch gereicht, dich zu täuschen.«
»Das war eine Kombination aus primitiver animalischer Schläue und seiner Fähigkeit zur Gestaltsveränderung.«
»Aber das Ziel wurde erreicht, oder nicht?«
»Ja. Es hat funktioniert.«
»Corwin, besteht vielleicht die Möglichkeit, daß du es ihm nicht gönnst, einen funktionierenden Plan zu schmieden, möchtest du vielleicht gar nicht, daß er einmal recht hat?«
»Lächerlich! Mir liegt nicht weniger als jedem anderen von uns daran, das Durcheinander zu ordnen.«
»Ja, aber wäre dir nicht lieber, wenn die Lösung aus einer anderen Richtung käme?«
»Worauf willst du hinaus?«
»Du willst ihm nicht trauen.«
»Das gebe ich zu. Ich habe ihn verdammt lange nicht gesehen – zumindest nicht in seiner wahren Gestalt –, und ...«
Er schüttelte den Kopf.
»Das meine ich nicht. Du ärgerst dich, daß er wieder da ist, habe ich nicht recht? Du hattest gehofft, wir wären ihn ein für allemal los.«
Ich wandte den Blick ab.
»Darin liegt etwas Wahres«, antwortete ich schließlich. »Doch nicht wegen des leeren Throns oder
ausschließlich
deswegen. Es liegt an ihm, Random. Ihm. Das ist alles.«
»Ich weiß«, gab er zurück. »Aber du mußt zugeben, daß er Brand hereingelegt hat, was nun wirklich keine Kleinigkeit ist. Seinen Trick begreife ich immer noch nicht: wie hat er nur dich dazu bringen können, den Arm von Tir-na Nog´th mitzubringen? Wie hat er mich veranlaßt, den Arm an Benedict weiterzugeben, wie hat er Benedict im richtigen Moment an den richtigen Ort manövriert, damit sich alles nach Plan entwickelte und er das Juwel zurückhielt? Im Umgang mit den Schatten ist er eben noch immer geschickter als wir. Er erreichte sein Ziel auf dem Kolvir, als er uns zum Ur-Muster brachte. Ich wäre dazu nicht in der Lage. Und du auch nicht. Und er vermochte Gérard zu schlagen. Ich glaube nicht, daß seine Kräfte nachlassen. Meiner Meinung nach weiß er genau, was er tut, und ob es uns gefällt oder nicht, ich finde, er ist der einzige, der mit der augenblicklichen Lage fertigwerden kann.«
»Willst du mir damit einreden, daß ich ihm vertrauen sollte?«
»Ich will dir nur sagen, daß du keine andere Wahl hast.«
Ich
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