Die Prinzen von Amber (5 Romane in einem Band)
für seine Untat verantwortlich«, sagte Random.
»Wenn du es so sehen willst.«
»Das will ich.«
Sie zuckte die Achseln und blickte mich an. »Wollt ihr seine Geschichte hören?«
»Sprich weiter!« Ich blickte zu Random hinüber, und er nickte.
»Brand erhielt das Gewünschte«, fuhr sie fort, »doch man traute ihm nicht. Man hatte Sorge, daß er sich nicht mit der Herrschaft über ein umgestaltetes Amber begnügen würde, wenn er erst einmal die Macht besaß, die Welt nach seinem Willen zu formen. Er würde versuchen, seinen Einfluß auch über das Chaos auszudehnen. Unser Ziel war ein geschwächtes Amber, neben dem das Chaos stärker werden konnte, als es jetzt ist – die Schaffung eines neuen Gleichgewichts, durch das uns mehr von den Schattenländern zufallen sollten, die zwischen unseren Reichen liegen. Man hatte schon vor langer Zeit erkannt, daß sich die beiden Königreiche niemals miteinander verschmelzen lassen können oder eines der beiden gar zerstört werden kann, ohne zugleich all jene Vorgänge auseinanderzureißen, die zwischen den beiden Polen ständig im Gange sind. Das Ergebnis wäre völliger Stillstand oder totales Chaos. Wenngleich unsere Führer erkannten, was Brand im Schilde führte, trafen sie eine Vereinbarung mit ihm. Es war die beste Gelegenheit, die sich seit langem bot. Man durfte sie nicht verstreichen lassen. Man hatte das Gefühl, daß man sich mit Brand zu gegebener Zeit auseinandersetzen und ihn dann sogar ersetzen konnte.«
»Ihr wolltet ihn also von vornherein betrügen«, sagte Random.
»Nicht wenn er sich an sein Wort hielt. Aber wir wußten genau, daß er das nicht tun würde. Wir schufen also die Ausgangsbasis für unsere Aktion gegen ihn.«
»Wie?«
»Wir wollten ihm gestatten, sein Ziel zu erreichen, und ihn dann vernichten. Sein Nachfolger sollte ein Mitglied der Königsfamilie von Amber sein, zugleich ein Angehöriger der ersten Familie der Höfe, ein Mann, der bei uns erzogen und für die Position ausgebildet worden war. Merlins Verbindung zu Amber leitet sich sogar von beiden Seiten her, durch meinen Vorfahren Benedict und direkt von dir selbst
– den beiden begünstigsten Kandidaten für euren Thron.« »Du entstammst dem königlichen Haus des Chaos?« Sie lächelte. Ich stand auf. Entfernte mich. Starrte in die Asche auf
dem Kaminrost.
»Es stört mich irgendwie festzustellen, daß ich in ein nüchternes Fortpflanzungsprojekt verwickelt worden bin«, sagte ich schließlich. »Aber wenn das so ist und wenn man
– für den Augenblick – deine Äußerungen als wahr hinnimmt – warum erzählst du uns das alles gerade jetzt?«
»Weil ich die Befürchtung habe«, antwortete sie, »daß die Lords meines Reiches für ihre Visionen so weit gehen würden wie Brand für die seinen. Und vielleicht noch weiter. Dabei geht es mir um das Gleichgewicht, von dem ich gesprochen habe. Nur wenigen scheint bewußt zu sein, wie leicht diese Balance zu stören ist. Ich bin durch die Schattenländer nahe Amber gereist, ich bin durch das eigentliche Amber geschritten. Außerdem kenne ich die Schatten, die auf Chaos´ Seite liegen. Ich habe viele Leute kennengelernt und viele Dinge gesehen. Als ich schließlich Martinbegegnete und mit ihm sprach, wuchs in mir die Überzeugung, daß die Veränderungen, die man mir als wünschenswert hingestellt hatte, nicht einfach zu einer Umgestaltung Ambers im Sinne der Vorstellungen meiner Familienoberen führen würden. Vielleicht würde Amber durch sie zu einem bloßen Auswuchs der Höfe werden, die meisten Schatten würden davonschäumen und sich dem Chaos anschließen. Auf diese Weise würde Amber als Insel dastehen. Etliche führende Persönlichkeiten gesetzteren Alters, denen es mißfällt, daß Dworkin Amber überhaupt erst entstehen ließ, erstreben eine Rückkehr zu den Zeiten vor diesem Ereignis. Zum totalen Chaos, aus dem alle anderen Dinge erstehen. Ich sehe die augenblickliche Lage als erstrebenswerter an und möchte sie erhalten. Mein Wunsch wäre, daß aus einem etwaigen Konflikt keine Seite als Sieger hervorgeht.«
Ich wandte mich um und bekam noch mit, daß Benedict
den Kopf schüttelte. »Dann stehst du also auf keiner Seite«, bemerkte er. »Ich sehe es gern so, daß ich auf beiden Seiten stehe«, gab sie zurück.
»Martin«, fragte ich, »bist du mit ihr in die Sache verwickelt?«
Er nickte.
Random lachte. »Ihr beide? Gegen Amber und die Burgen des Chaos? Was hofft ihr zu erreichen? Wie gedenkt ihr eure
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