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Herz des Winters (German Edition)

Herz des Winters (German Edition)

Titel: Herz des Winters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine Puljic
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    Rückblickend gesehen wäre es natürlich einfach zu sagen, all ihre Schwierigkeiten hätten erst mit Berekh begonnen. Hinterher war es immer leicht, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen und ihm die Schuld zuzuschreiben, doch die simple Wahrheit war: Ihre Misere hatte nichts mit Berekh zu tun.
    In ihren edelmütigen Momenten war sie selbst es, der sie die Unfähigkeit vorwarf, sich ihrem Stand und ihrer Umgebung gemäß zu verhalten und so Anstellungen zumindest lange genug zu behalten, um deren Bezahlung zu erhalten.
    „Was ist, du schmalgesichtige Gossenratte? Mach Platz, oder ich zeig dir gleich, wo’s lang geht!“
    Andererseits – vielleicht lag es doch an Berekh.
    „Sei gefälligst still!“, zischte Daena ihrem vorlauten Begleiter zu und versuchte dabei zugleich, dem bulligen Soldaten, dem Berekhs Worte gegolten hatten, ein entschuldigendes Lächeln zuzuwerfen. Sie mochte zierlich und hilflos aussehen, doch bei solchen Zeitgenossen half das meist wenig. Vor allem, da sich Berekh – vor fremden Blicken sicher verborgen – in ihrem Beutel befand und sie gnadenlos den Reaktionen auf seine eigene Ruppigkeit aussetzte.
    Zum Glück gab der Soldat nur ein kurzes, unwilliges Grunzen von sich, ehe er seinen finsteren Blick wieder einer Handvoll zwielichtiger Gestalten zuwandte, die sich zwischen den Marktständen herumdrückten und eindeutig nicht hier waren, um einzukaufen.
    Schnell brachte Daena eine ihr sicher erscheinende Distanz zwischen sich selbst und dem Geschehen. Erst, als sie außer Sichtweite des Soldaten und auch seinem penetranten Schweißgeruch entkommen war, öffnete sie ihre Tasche. „Irgendwann lasse ich dich einfach liegen, ich schwöre es. Mitten auf der Straße. In einer Jauchepfütze!“
    Der vergilbte Totenschädel grinste sie aufmüpfig an. „Und wer hört sich dann Nacht für Nacht dein Gejammer an?“
    Wütend knallte Daena den Beutel samt Berekh zu Boden und genoss das Geräusch, mit dem seine Zähne aufeinander schlugen. „Ich bin sehr gut allein zurechtgekommen, bevor ich dich gefunden habe!“
    „Pah, gefunden! Meine Krypta hast du geschändet und meinen Kopf gestohlen, du unwissendes Kind!“
    Sie schnaubte ungehalten. Vor Wind und Regen hatte sie Unterschlupf gesucht und in ihrer Einsamkeit ein Gespräch mit einem – wohlgemerkt, leblosen ! – Schädel begonnen, der zwischen Laub und Gestein auf dem Boden gelegen hatte. Und als die Nacht und das Unwetter vorüber waren, hatte sie den vermeintlich stillen Gefährten nicht zurücklassen wollen. Das hatte sie nun davon.
    „Ich kann dich ja gerne wieder in ein Grab legen, wenn du so viel Wert darauf legst, du undankbares Gerippe!“
    Berekh knirschte wütend mit den Zähnen und das normalerweise grüne Glühen in seinen leeren Augenhöhlen verwandelte sich in ein tiefes Violett. Er hasste es, im Streit zu unterliegen. Schließlich presste er hervor: „Werde ich jetzt vielleicht auch einmal wieder aufgehoben? Und nenn mich nicht Gerippe, ich habe überhaupt keine Rippen.“
    Seufzend bückte Daena sich, um nach dem Trageriemen zu greifen – und erstarrte mitten in der Bewegung. Schneeflocken hatten begonnen, auf den gefrorenen Boden zu sinken und sammelten sich im kalten Dreck. Doch dieser Schnee war rot gefärbt von dem Blutvergießen, das er ankündigte.
    „Was?“, fragte Berekh, der zwar ihren entsetzten Blick, dank des Taschenstoffes aber nicht den blutigen Schnee sah.
    Es kostete sie unendliche Überwindung, den Riemen zu packen und dabei die roten Flocken mit den ungeschützten Fingerspitzen zu berühren.
    „Wir müssen weiter.“ Daenas Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern.
    „Warum? Was ist los?“ Sie konnte die ruckartigen Bewegungen an ihrer Hüfte spüren, mit der Berekh sich in dem Beutel umher warf, um einen Blick nach draußen zu erhaschen.
    „Die Morochai kommen“, antwortete sie. Sie zog die Kapuze ihres Umhangs tief ins Gesicht und verbarg so die Narben, die allzu deutlich vom Ausgang ihrer letzten Begegnung mit den Echsenwesen kündeten.
    ***
    „Findest du es nicht jämmerlich, ständig davonzulaufen? Immerhin bin ich ein mächtiger Zauberer, und du eine ausgebildete Kämpferin …“
    „Du warst einmal ein Zauberer“, keuchte Daena, während sie sich durch den engen Mauerspalt quetschte, der einen der Zugänge zu den Fluchttunneln darstellte. Wenn man deinem aufschneiderischen Gebrabbel Glauben schenken darf , fügte sie im Stillen hinzu. „Und meine Ausbildung habe ich nie

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