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Die Prinzen von Amber

Titel: Die Prinzen von Amber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Situation war sehr verwirrend. Mit jedem Abend steigerten sich mein Zorn und meine Verwirrung über die Entwicklung – und ich war entschlossener denn je, den Weg zurück nach Avalon zu finden. Ich mußte Großvater beweisen, daß er mich nicht länger wie ein Kind zur Seite schieben und erwarten konnte, daß ich friedlich blieb.
    Nach etwa einer Woche begann ich Träume zu haben. Alpträume, so muß ich sie wohl nennen. Hast du schon einmal geträumt, endlos zu laufen, ohne je irgendwohin zu gelangen? So etwa waren meine Träume über das brennende Spinngewebe. Eigentlich war es gar kein Spinngewebe – es gab keine Spinne, und gebrannt hat es auch nicht. Aber ich war darin gefangen und lief darauf herum und hindurch. Dabei bewegte ich mich eigentlich gar nicht. Diese Beschreibung ist sehr ungenau, aber ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll. Und ich mußte den Versuch fortsetzen – ich wollte den Versuch fortsetzen, darin vorwärtszukommen, heraus aus dem Gewebe. Als ich erwachte, war ich müde, als hätte ich mich tatsächlich die ganze Nacht hindurch angestrengt. So ging es viele Nächte hindurch, und jedesmal kam mir der Traum stärker und länger und realer vor.
    Dann kam der Morgen, da ich aufstand und mir der Traum noch im Kopf herumspukte. Und ich wußte, daß ich nach Hause reiten konnte. Noch halb in dem Traum befangen, ritt ich los. Ich ritt die ganze Strecke, ohne einmal anzuhalten, doch diesmal kümmerte ich mich nicht besonders um die Umgebung, sondern dachte nur an Avalon – und im Reiten wurde die Gegend immer bekannter, bis ich wieder hier war. Erst jetzt hatte ich das Gefühl, völlig wach zu sein. Und inzwischen kommen mir das Dorf und die Tecys, der fremde Himmel, die Sterne, der Wald und die Berge wie ein Traum vor. Ich bin gar nicht sicher, daß ich dorthin zurückfinden würde. Ist das nicht seltsam? Kannst du mir sagen, was da passiert ist?«
    Ich stand auf und ging um den Rest unserer Mahlzeit herum. Dann hockte ich mich neben ihr nieder.
    »Erinnerst du dich an das Aussehen des brennenden Spinngewebes, das eigentlich gar kein Spinngewebe war und auch gar nicht brannte?« fragte ich.
    »Ja – einigermaßen schon.«
    »Gib mir das Messer.«
    Sie reichte es mir.
    Mit der Spitze begann ich ihre Zeichnung im Sand zu erweitern, verlängerte hier eine Linie, verwischte dort eine andere, fügte eigene hinzu. Sie sagte kein Wort, doch sie verfolgte jede meiner Bewegungen. Als ich fertig war, legte ich das Messer zur Seite und wartete einen stummen Augenblick lang.
    Schließlich sagte sie mit leiser Stimme: »Ja, das ist es«, wandte sich von der Zeichnung ab und starrte mich an. »Woher wußtest du das? Woher wußtest du, was ich geträumt habe?«
    »Weil ich ...«, sagte ich. »Weil du ein Gebilde geträumt hast, das in deiner Erbmasse niedergelegt ist. Warum und wie – das weiß ich nicht. Diese Erscheinung beweist aber, daß du in der Tat eine Tochter Ambers bist. Dein Erlebnis nennt man ›durch die Schatten gehen«. Und geträumt hast du das Große Muster von Amber. Dieses Muster verleiht Menschen von königlichem Geblüt die Macht über die Schatten. Weißt du, wovon ich spreche?«
    »Nicht genau«, sagte sie. »Ich glaube nicht. Ich habe Großvater auf die Schatten fluchen hören, aber ich habe ihn nie richtig verstanden.«
    »Dann weißt du nicht, wo Amber wirklich liegt.«
    »Nein. In dieser Frage ist er mir immer ausgewichen. Er hat mir wohl von Amber erzählt und von der Familie. Aber ich kenne nicht einmal die Richtung, in der Amber zu finden ist. Ich weiß nur, daß es weit entfernt liegt.«
    »Es liegt in allen Richtungen«, sagte ich, »oder in jeder Richtung, die man sich aussucht. Man braucht nur ...«
    »Ja!« unterbrach sie mich. »Ich hatte es vergessen, oder dachte, er wolle nur geheimnisvoll oder herablassend tun – doch Brand hat vor langer Zeit einmal genau dasselbe gesagt. Aber was steht dahinter?«
    »Brand! Wann war Brand hier?«
    »Vor Jahren«, entgegnete sie. »Ich war damals noch ein kleines Mädchen. Er kam oft zu Besuch. Ich war sehr in ihn verliebt und fiel ihm auf die Nerven. Er erzählte mir viele Geschichten, brachte mir Spiele bei ...«
    »Wann hast du ihn zum letztenmal gesehen?«
    »Oh, ich würde sagen, vor etwa acht oder neun Jahren.«
    »Hast du noch andere kennengelernt?«
    »Ja«, sagte sie. »Julian und Gérard waren vor nicht allzu langer Zeit hier. Das ist erst wenige Monate her.«
    Ich kam mir plötzlich sehr ungeschützt vor.

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