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Die Prinzen von Amber

Titel: Die Prinzen von Amber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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die meine Augen und einen Teint wie Perlmutter hatte. Ich haßte sie, sobald ich die Karte umgedreht hatte. Die nächste war Llewella, das Haar zu den jadegrünen Augen passend; sie trug ein schimmerndes graugrünes Gewand mit einem lavendelfarbenen Gürtel und sah traurig aus. Irgendwoher wußte ich, daß sie nicht so war wie die anderen. Aber auch sie war meine Schwester.
    Eine riesige Entfernung, ganze Welten schienen mich von all diesen Menschen zu trennen. Trotzdem schienen sie mir körperlich sehr nahe zu sein.
    Die Karten fühlten sich dermaßen kalt an, daß ich sie schnell wieder hinlegte, wenn auch mit gewissem Widerwillen, den Kontakt mit ihnen zu verlieren.
    Aber es gab keine weiteren Karten. Die anderen waren unbedeutende Symbole. Und ich wußte irgendwie – wieder dieses
Irgendwie,
ah, irgendwie! –, daß mehrere Karten fehlten.
    Doch ich hätte um alles in der Welt nicht sagen können, was auf den fehlenden Trümpfen dargestellt war.
    Diese Erkenntnis bedrückte mich seltsam, und ich nahm meine Zigarette zwischen die Finger und überlegte.
    Warum kamen all diese Erinnerungen so schnell zurück, wenn ich die Karten betrachtete – warum fluteten sie mir in den Kopf, ohne ihren Hintergrund oder den größeren Zusammenhang gleich mitzubringen? Natürlich wußte ich jetzt mehr als zu Anfang, jedenfalls im Hinblick auf Namen und Gesichter. Aber das war so ziemlich alles.
    Ich vermochte die Bedeutung der Tatsache nicht zu ergründen, daß wir alle auf diesen Karten festgehalten worden waren. Dabei verspürte ich den starken Wunsch, ein solches Spiel zu besitzen. Doch wenn ich Floras Karten an mich nahm, merkte sie sofort, daß sie fehlten, und das konnte Ärger bringen. Ich legte sie also wieder in die kleine Schublade hinter der großen Lade und schloß sie ein. Und dann zermartete ich mir das Gehirn – und wie, bei Gott! Aber ich kam nicht weiter.
    Bis ich auf ein Zauberwort stieß.
    Amber.
    Gestern abend hatte mich dieses Wort ziemlich erschüttert – und zwar so sehr, daß ich der Erinnerung bisher bewußt aus dem Weg gegangen war. Doch jetzt schlich ich näher heran. Jetzt bewegte ich das Wort im Geiste hin und her und untersuchte alle Gedanken, die mir dabei kamen.
    In dem Wort knisterte eine starke Sehnsucht und eine gewaltige Nostalgie. Ganz im Innern umschloß es Begriffe wie verlorene Schönheit und große Taten und ein Machtbewußtsein, das geradezu allumfassend war. Irgendwie gehörte dieses Wort zu meinem Sprachschatz. Irgendwie war ich ein Teil davon, und es war ein Teil von mir. Es war der Name eines Ortes, das erkannte ich nun. Es war der Name eines Ortes, der mir einmal sehr vertraut gewesen war. Doch das Wort beschwor keine Bilder herauf, nur Gefühle.
    Wie lange ich so dasaß, weiß ich nicht. Meine Träumereien hatten mich irgendwie von der Zeit gelöst.
    Aus dem innersten Kern meiner Gedanken stieg die Erkenntnis auf, daß es leise geklopft hatte. Dann drehte sich langsam der Türknauf, und das Mädchen – Carmella – trat ein und erkundigte sich, ob ich zu Mittag etwas essen wollte.
    Die Vorstellung behagte mir, und ich folgte ihr in die Küche und aß ein halbes Hähnchen und trank ein großes Glas Milch.
    Schließlich nahm ich einen Topf Kaffee mit in die Bibliothek, wobei ich den Hunden aus dem Weg ging. Ich war gerade bei meiner zweiten Tasse, als das Telefon klingelte.
    Es kribbelte mir in den Fingern, den Hörer abzunehmen, doch ich vermutete, daß es überall im Haus Nebenapparate gab und Carmella sich bestimmt melden würde.
    Aber das war ein Irrtum. Der Apparat klingelte weiter.
    Schließlich konnte ich nicht mehr widerstehen.
    »Hallo«, sagte ich. »Hier bei Flaumel.«
    »Könnte ich bitte Mrs. Flaumel sprechen?«
    Es war die Stimme eines Mannes; er sprach hastig und etwas nervös. Er schien außer Atem zu sein, und seine Worte kamen gedämpft und durch das schwache Surren und die Gespensterstimmen, die auf ein Ferngespräch hindeuten.
    »Tut mir leid«, sagte ich. »Sie ist im Augenblick nicht hier. Kann ich ihr etwas ausrichten, oder soll sie Sie anrufen?«
    »Mit wem spreche ich denn?« wollte er wissen.
    Ich zögerte. »Corwin«, sagte ich schließlich.
    »Mein Gott!« rief er, und ein langes Schweigen trat ein.
    Ich dachte schon, er hätte aufgelegt. »Hallo?« fragte ich noch einmal, als er wieder zu sprechen begann.
    »Lebt sie noch?« wollte er wissen.
    »Natürlich! Mit wem spreche ich denn überhaupt?«
    »Erkennst du meine Stimme nicht, Corwin? Hier ist

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