Die Prinzen von Amber
See, ein verlorener Dufthauch ... Klappernd weiter, in der Kühle der späten Nacht ... Wieder ein flüchtiger Salzgeschmack der Luft ...
Gestein, das Fehlen von Bäumen ... Hart, steil, kahl, abwärts ... Immer unzugänglicher ...
Ein Blitzen zwischen Felswänden ... Losgetretene Steine in der jetzt dahinrasenden Strömung, das Plätschern vom Echo des Dröhnens verschluckt ... Immer tiefer der Schlund, dann sich ausbreitend ...
Hinab, hinab ...
Und weiter ...
Jetzt wieder Helligkeit im Osten, sanfter der Hang ... Wieder der Hauch von Salz, diesmal stärker ...
Schiefer und Dreck ... Um eine Ecke, hinab, immer heller.
Vorsicht, weich und locker der Boden ...
Windhauch und Licht, Windhauch und Licht ... Hinter einem Felsvorsprung ...
Zügel anziehen.
Unter mir lag die öde Küste, endlose Reihen gerundeter Dünenrücken, gegeißelt vom Wind, der aus Südwesten herandrängt, Sandstreifen emporschleudert, den Umriß des fernen kahlen, düsteren Morgenmeeres teilweise verwischt.
Ich sah zu, wie sich die rosa Schicht von Osten her über das Wasser legte. Da und dort entblößte der sich bewegende Sand düstere Kiesflecken. Über den anrennenden Wellen erhoben sich zerklüftete Felsmassen. Zwischen den mächtigen Dünen, die Hunderte von Fuß hoch waren, und mir, der ich hoch über der abweisenden Küste hockte, befand sich eine wilde, zerschmetterte Ebene aus zerklüfteten Felsen und Kies, im ersten Schimmer des Morgens aus der Hölle oder der Nacht emportauchend, belebt von Schatten.
Ja. Hier war ich richtig.
Ich stieg ab und sah zu, wie die Sonne die Szene mit einem trostlosen grellen Tag belegte. Dies war das harte weiße Licht, das ich gesucht hatte. Hier, ohne Menschen, war der richtige Ort, wie ich ihn Jahrzehnte zuvor auf der Schatten-Erde meines Exils gesehen hatte. Keine Bulldozer, keine Siebe, keine besenschwingenden Farbigen, keine hermetisch abgeriegelte Stadt Oranjemund. Keine Röntgenmaschinen, kein Stacheldraht, keine bewaffneten Posten. Hier gab es nichts von alledem. Nein. Denn dieser Schatten hatte niemals einen Sir Ernest Oppenheimer erlebt, und es hatte auch nie eine Firma ›Consolidated Diamond Mines of South West Africa‹ gegeben, auch keine Regierung, die eine solche Anhäufung von Küstenschürfinteressen gutgeheißen hätte. Hier erstreckte sich die Wüste, die Namib hieß, etwa vierhundert Meilen nordwestlich von Kapstadt, ein Streifen Dünen und Felsgestein, bis zu etlichen Dutzend Meilen breit und etwa dreihundert Meilen lang an dieser elenden Küste, an der meerwärts gelegenen Flanke der Richtersveld-Berge, in deren Schatten ich stand. Hier lagen Diamanten wie Vogelkot im Sand. Natürlich hatte ich eine Harke und ein Sieb mitgebracht.
Ich schnürte meine Vorräte auf und machte ein Frühstück. Ein heißer, staubiger Tag stand mir bevor.
Während ich in den Dünen arbeitete, dachte ich an Doyle, den kleinen Juwelier aus Avalon mit den dünnen Haaren und dem feuerroten, mit Geschwülsten bedeckten Gesicht. Juweliersrouge? Wozu wollte ich all das Juweliersrouge – genug, um eine Armee von Juwelieren ein Dutzend Leben lang zu versorgen? Ich hatte die Achseln gezuckt. Was interessierte es ihn, wozu ich das Zeug brauchte, solange ich dafür zahlte? Nun, wenn es eine neue Verwendung für das Zeug gab, die viel Geld zu bringen versprach, wäre man ja ein Dummkopf ... Mit anderen Worten, er war nicht in der Lage, mich innerhalb einer Woche mit der gewünschten Menge zu versorgen? Kleine gepreßte Kicherlaute zwischen Zahnlücken. Eine Woche? O nein! Natürlich nicht! Lächerlich, kam gar nicht in Frage ... Ich begriff. Nun, vielen Dank, und vielleicht war der Konkurrent ein Stück weiter oben in der Lage, das Zeug zu beschaffen; außerdem mochte er sich für ein paar ungeschliffene Diamanten interessieren, die ich in einigen Tagen erwartete ... Diamanten, sagten Sie? Moment. Er interessierte sich stets für Diamanten ... Ja, aber in Sachen Juweliersrouge ließen seine Leistungen doch zu wünschen übrig! Eine erhobene Hand. Vielleicht hatte er sich etwas zu voreilig über seine Fähigkeit geäußert, das Poliermittel zu liefern. Die Menge hatte ihn doch etwas stutzig gemacht. Die Ingredienzien gab es allerdings reichlich, und die Formel war ziemlich simpel. Ja, eigentlich gab es keinen Grund, warum man nicht etwas arrangieren könnte. Und innerhalb einer Woche. Aber nun zu den Diamanten ...
Ehe ich seinen Laden verließ, hatten wir etwas arrangiert.
Ich habe viele Menschen
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