Die Prinzen von Amber
weiß.«
Mein Mausoleum ist ein ruhiger Ort. Es steht allein in einer Felsnische, auf drei Seiten vor den Elementen geschützt, umgeben von aufgehäufter Muttererde, in der zwei knorrige Bäume, verschiedene Büsche, Unkräuter und Bergefeupflanzen wurzeln. Die Stelle liegt auf der anderen Seite des Kolvir, etwa zwei Meilen unterhalb des Gipfels. Das eigentliche Mausoleum ist ein langes, niedriges Gebäude mit zwei Bänken an der Vorderfront; der Efeu hat einen großen Teil des Bauwerks eingehüllt und verdeckt gnädig die bombastischen Äußerungen, die unter meinem Namen in die Steinflächen eingemeißelt sind. Verständlicherweise ist das Bauwerk die meiste Zeit verlassen.
An jenem Abend jedoch begaben sich Ganelon und ich dorthin, begleitet von einem guten Vorrat an Wein und Brot und kaltem Fleisch.
»Du hast ja gar nicht gescherzt!« sagte er, nachdem er abgestiegen war, den Efeu zur Seite gestreift und im Mondlicht die Worte gelesen hatte, die dort angebracht waren.
»Natürlich nicht«, gab ich zurück, stieg ebenfalls ab und kümmerte mich um die Pferde. »Dies ist mein Haus.«
Ich band die Tiere an einen Busch in der Nähe, nahm die Beutel mit Vorräten ab und trug sie zur nächsten Bank. Ganelon setzte sich zu mir, als ich die erste Flasche öffnete und zwei Gläser füllte.
»Ich verstehe das noch immer nicht«, sagte er und nahm sein Getränk entgegen.
»Was gibt es da zu verstehen? Ich bin tot und liege hier begraben. Dies ist mein Zenotaph – das Monument, das errichtet wird, wenn eine Leiche nicht zu finden ist. Ich habe erst kürzlich von dem Bauwerk erfahren. Es wurde vor mehreren Jahrhunderten gebaut, als man zu dem Schluß kam, daß ich nicht zurückkehren würde.«
»Irgendwie unheimlich«, bemerkte er. »Was ist denn da drin?«
»Nichts. Allerdings hat man rücksichtsvollerweise eine Nische gebaut und einen Sarg hineingestellt, für den Fall, daß meine Überreste doch noch auftauchten. So war man auf alles vorbereitet.«
Ganelon machte sich ein belegtes Brot.
»Wessen Einfall war denn das?«
»Random meint, Brand oder Eric hätten die Sprache darauf gebracht. Niemand erinnert sich genau daran. Damals hielten wohl alle den Vorschlag für gut.«
Er lachte leise – ein unheimlicher Laut, der ausgezeichnet zu seinem faltigen, vernarbten, rotbärtigen Wesen paßte.
»Was wird denn jetzt daraus?«
Ich zuckte die Achseln.
»Vermutlich sind einige der Ansicht, es sei schade, das Bauwerk verkommen zu lassen; sie hätten es am liebsten, wenn ich es füllte. Doch bis es soweit ist, haben wir hier ein hübsches Fleckchen zum Besaufen. Jedenfalls hatte ich meinen Antrittsbesuch hier noch nicht gemacht.«
Auch ich richtete mir zwei Brote und verzehrte sie. Dies war die erste wirkliche Atempause, die ich seit meiner Rückkehr hatte – und vielleicht auf absehbare Zeit die letzte. Ich wußte es nicht. In der letzten Woche hatte ich jedenfalls keine Gelegenheit gehabt, mich mit Ganelon in Ruhe zu unterhalten, obwohl er einer der wenigen Menschen war, denen ich wirklich vertraute. Ich wollte ihm alles erzählen. Ich konnte nicht anders. Ich mußte mit jemandem sprechen, der nicht damit zu tun hatte, wie alle übrigen. Und ich trug ihm meine Sorgen vor.
Der Mond bewegte sich ein gutes Stück, und die Glasscherben in meiner Krypta vermehrten sich.
»Wie haben die anderen darauf reagiert?« fragte er schließlich.
»Wie nicht anders zu erwarten«, gab ich zurück. »Ich wußte genau, daß mir Julian kein Wort geglaubt hat – obwohl er das behauptete. Er weiß, wie ich zu ihm stehe, und ist nicht in der Lage, mich herauszufordern. Ich glaube auch nicht, daß Benedict mir glaubt, doch aus ihm wird man nicht so recht schlau. Er wartet seine Zeit ab, doch ich hoffe, daß er sich wenigstens die Mühe gibt, meine Argumente abzuwägen. Was Gérard angeht, so habe ich das Gefühl, daß jetzt der entscheidende Anstoß gegeben worden ist – wenn er mir bisher noch vertraut hat, ist es damit nun endgültig vorbei. Dennoch wird er morgen früh nach Amber zurückkehren, um mich zu dem Wäldchen zu begleiten. Wir wollen Caines Leiche heimholen. Ich wollte das Ganze zwar nicht zu einer Safari werden lassen, doch ein Familienmitglied sollte wenigstens dabei sein. Deirdre nun
– sie schien ganz zufrieden zu sein. Ich bin sicher, daß sie mir kein Wort geglaubt hat. Aber das ist auch nicht erforderlich. Sie hat immer auf meiner Seite gestanden und Caine nie gemocht. Ich würde sagen, sie ist froh, daß ich
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