Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Prinzen von Amber

Titel: Die Prinzen von Amber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
Vom Netzwerk:
Hände waren groß und ruhig. Fähig. Ein seltsames Gefühl überkam mich, während ich ihn betrachtete.
    Die Zeit dehnte sich über den Augenblick des Angriffs hinaus. Er ließ sich zurückfallen und senkte die Waffe ein Stück, obwohl sein Körper noch immer angespannt war.
    »Du!« rief er. »Ist das die Klinge Grayswandir?«
    »Ja«, gab ich zurück.
    Er setzte seine Musterung fort, und irgend etwas in mir suchte nach Worten der Erklärung, fand aber nichts und rannte hilflos durch die Nacht davon.
    »Was willst du hier?« fragte er.
    »Zurück nach Hause.«
    Ein leises Zischen ertönte, als sein Bolzen ein gutes Stück links von mir auf die Felsen traf.
    »Dann geh«, sagte er. »Dies ist ein gefährlicher Ort für dich.«
    Er wendete sein Pferd in die Richtung, aus der er gekommen war. – Ich senkte Grayswandir.
    »Ich werde dich nicht vergessen«, sagte ich.
    »Nein, vergiß mich nicht«, erwiderte er, ohne sich umzuwenden.
    Dann galoppierte er davon, und Sekunden später trieb der vage Nebelstreifen ebenfalls weiter.
    Ich stieß Grayswandir in die Scheide und trat einen Schritt vor. Die Welt begann sich wieder um mich zu drehen; von links rückte das Licht vor, rechts wich die Dunkelheit zurück. Ich suchte nach einer Möglichkeit, den Felshang hinter mir zu erklimmen. Er schien nur dreißig oder vierzig Fuß hoch zu sein, und ich hoffte, daß ich von weiter oben einen besseren Ausblick hätte. Der Felsvorsprung, auf dem ich stand, erstreckte sich nach rechts und links. Doch als ich mich ernsthaft damit befaßte, stellte ich fest, daß der Weg nach rechts schmaler wurde, ohne mir eine Aufstiegsmöglichkeit zu bieten. Ich drehte um und wanderte nach links.
    Dort, hinter einem Felsvorsprung, wo der Weg ebenfalls ziemlich schmal wurde, erreichte ich einen zerklüfteten Teil der Wand. Ich suchte das Gestein mit den Blicken ab: Ein Aufstieg schien möglich. Ich warf einen vorsichtigen Blick nach hinten, um weitere Gefahren auszuspähen. Die gespenstische Straße war noch weiter fortgetrieben; da sich keine weiteren Reiter näherten, begann ich zu klettern.
    Der Aufstieg war nicht schwierig, obwohl der Hang höher war, als er von unten ausgesehen hatte. Wahrscheinlich ein Symptom der räumlichen Verzerrungen, die meine Augen hier verschiedentlich wahrgenommen hatten. Nach einer gewissen Zeit richtete ich mich an einer Stelle auf, die mir einen besseren Blick über den Abgrund ermöglichte.
    Wieder einmal nahm ich die chaotischen Farben wahr, die rechts von der Dunkelheit bedrängt wurden. Das Land, über dem sie tanzten, war mit Felsen übersät und voller Krater, keine Spur von Leben erkennbar. Mitten hindurch führte jedoch schwarz und gewunden ein Streifen, der sich vom fernen Horizont bis zu einem Punkt irgendwo rechts von mir erstreckte: Dies konnte nur die schwarze Straße sein.
    Nach weiteren zehn Minuten Kletterei hatte ich eine Stelle gefunden, von der aus ich den Endpunkt der Straße sehen konnte. Sie führte durch einen breiten Paß in den Bergen geradewegs zum Rand des Abgrunds. Dort verschmolz ihre Schwärze mit der, die diesen Ort füllte, jetzt nur noch an der Tatsache erkennbar, daß keine Sterne hindurchschimmerten. Ich orientierte mich an dieser Verdeckung und gewann den Eindruck, daß sie sich bis zu dem schwarzen Gebilde fortsetzte, um das die Nebelstreifen wallten.
    Ich legte mich flach hin, um auf den Konturen des niedrigen Hügels keinen Anhaltspunkt zu bieten für unsichtbare Augen, die diesen Teil der Berge beobachten mochten. In dieser Position dachte ich darüber nach, wie der schwarze Weg geöffnet worden war. Der Schaden, den das Muster erlitten hatte, war für diesen Einfluß zur Pforte nach Amber geworden, wofür – das nahm ich an – mein Fluch das auslösende Element gewesen war. Zwar spürte ich inzwischen, daß die Katastrophe wohl auch ohne mich geschehen wäre, doch ich war überzeugt, meinen Beitrag dazu geleistet zu haben. Die Schuld lastete noch immer auf mir, wenn auch nicht mehr mit ganzer Schwere, wie ich zunächst angenommen hatte. In diesem Augenblick mußte ich an Eric denken, der sterbend auf dem Kolvirberg gelegen hatte. Obwohl er mich haßte, hatte er gesagt, er wolle seinen Sterbefluch den Gegnern Ambers entgegenschleudern. Mit anderen Worten: diesem Einfluß, diesen Gestalten. Ironisch. Mein Tun galt heute im wesentlichen dem Bemühen, den Todeswunsch des von mir am wenigsten geliebten Bruders zu erfüllen. Sein Fluch sollte meinen Fluch aufheben, durch mein

Weitere Kostenlose Bücher