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Die Prinzen von Amber

Titel: Die Prinzen von Amber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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Jedesmal wenn der Umriß neu von meiner Netzhaut wahrgenommen wurde, hatte er sich verändert. Nun trieben auch vage Nebelschwaden dazwischen und wanden sich wie in erhitzter Luft. Das Mandala stellte seine Drehung ein, sobald es sich umgekehrt hatte. Die Farben waren jetzt hinter mir, nur noch sichtbar, wenn ich den Kopf drehte, eine Bewegung, die ich nicht wünschte. Es war angenehm, einfach reglos hier zu stehen und zu der Formlosigkeit hinüberzustarren, aus der alle Dinge letztlich hervorgingen ... Dieses Ding existierte sogar vor dem Muster. Das war mir im Kern meines Denkens bewußt, vage, aber mit Gewißheit. Ich wußte es, denn ich war überzeugt, daß ich schon einmal hier gewesen war. Als Kind des Mannes, der ich geworden war, so wollte mir scheinen, war ich eines fernen Tages schon einmal hierhergebracht worden – ich erinnerte mich nicht, ob von Vater oder Dworkin – und hatte an diesem Ort oder einem sehr ähnlichen Ort gestanden oder war hier festgehalten worden und hatte mir dieselbe Szene angeschaut, sicher mit einem ähnlichen Mangel an Verständnis und einem ähnlichen Gefühl der Angst. Meine Freude wurde durch nervöse Erregung beeinträchtigt, durch ein Gefühl des Verbotenen, einen Hauch dubioser Erwartung. Seltsamerweise stieg jetzt zugleich eine Sehnsucht nach dem Juwel in mir auf, das ich auf der Schatten-Erde hatte zurücklassen müssen, das Ding, dem Dworkin soviel Macht zugesprochen hatte. War es möglich, daß ein Teil von mir eine Gegenwehr oder zumindest ein Symbol des Widerstandes gegen den unbekannten Einfluß suchte, der sich dort draußen befand? Möglich immerhin.
    Während ich immer noch fasziniert über den Abgrund starrte, hatte ich plötzlich das Gefühl, daß sich meine Augen an etwas anpaßten oder das Bild sich erneut unmerklich veränderte. Denn jetzt machte ich winzige gespenstische Umrisse aus, die sich drüben an jenem Ort bewegten, wie Meteore, die im Zeitlupentempo über die Gazestreifen vorrückten. Ich wartete; dabei betrachtete ich die Erscheinung genau, spielte mit einem ersten Begreifen der Dinge, die dort geschahen. Schließlich wehte einer der Streifen ganz in meine Nähe. Kurz darauf hatte ich die Antwort.
    Bewegung entstand. Eine der dahinhuschenden Gestalten wurde größer, und ich erkannte, daß sie dem gewundenen Weg folgte, der in meine Richtung führte. Nach wenigen Augenblicken hatte sie die Form eines Reiters angenommen. In der Annäherung gewann sie den Anschein von Festigkeit, ohne jedoch das Gespenstische zu verlieren, welches an allem zu haften schien, das sich vor mir befand. Eine Sekunde später sah ich einen nackten Reiter auf einem haarlosen Pferd heranstürmen, beide leichenhaft blaß. Der Reiter schwenkte eine knochenweiße Klinge; seine Augen und die Augen des Pferdes funkelten blutrot. Ich vermochte nicht zu sagen, ob er mich wahrnahm, ob wir überhaupt auf derselben Ebene der Realität existierten, so unnatürlich war sein Aussehen. Dennoch zog ich Grayswandir und trat einen Schritt zurück.
    Sein langes weißes Haar versprühte winzige Funken, und als er den Kopf drehte, erkannte ich, daß er es auf mich abgesehen hatte, denn schon spürte ich seinen Blick wie einen kalten Druck vorn auf der Brust. Ich drehte mich zur Seite und hob die Klinge
en garde.
    Er ritt weiter, und ich erkannte, daß er und das Pferd sehr groß waren, größer, als ich zuerst angenommen hatte. Sie kamen immer näher. Als sie die Stelle erreicht hatten, die mir am nächsten war – etwa zehn Meter –, zog der Reiter die Zügel an, und das Pferd stieg auf die Hinterhand. Beide musterten mich, wobei sie schwankten und sich auf und nieder bewegten, als befänden sie sich auf einem Floß in einer sanft bewegten See.
    »Dein Name!« forderte der Reiter. »Nenn mir deinen Namen, du, der du an diesen Ort kommst!«
    Seine Stimme rief in meinen Ohren ein knisterndes Gefühl hervor. Sie schwang auf einer einzigen Klangebene, laut und ohne Modulation.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich nenne meinen Namen, wenn ich es will, nicht wenn es mir befohlen wird«, antwortete ich. »Wer bist du?«
    Er stieß drei kurze bellende Laute aus, die ein Lachen sein mochten.
    »Ich zerre dich hinab an einen Ort, da du ihn bis in alle Ewigkeit hinausbrüllst.«
    Ich richtete Grayswandir auf seine Augen.
    »Reden kostet nichts«, sagte ich. »Für Whisky braucht man Geld.«
    In diesem Augenblick empfand ich eine seltsame Kühle, als hantierte jemand mit meinem Trumpf und dächte an mich.

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