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Die Prinzen von Amber

Titel: Die Prinzen von Amber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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eine Balustrade und genossen die Abendluft, die kühl und feucht und voller Walddüfte war. Wir beobachteten, wie am dunkler werdenden Himmel nacheinander die Sterne erschienen. Die Mauersteine fühlten sich kalt an. In der Ferne glaubte ich den Schimmer des Meeres auszumachen. Von irgendwo unter uns hörte ich den Schrei eines Nachtvogels. Ganelon nahm Pfeife und Tabak aus einem Beutel an seinem Gürtel. Er füllte den Pfeifenkopf, drückte den Tabak fest und riß ein Streichholz an. Sein Gesicht hätte im Flackerlicht geradezu satanisch ausgesehen, wenn nicht irgendein Einfluß seine Mundwinkel nach unten gezogen und die Wangenmuskeln in jenen Winkel gehoben hätte, der von den Innenseiten der Augen und dem scharfen Nasenrücken gebildet wird. Ein Teufel stellt angeblich ein böses Grinsen zur Schau; dieses Gesicht aber wirkte viel zu bedrückt.
    Ich roch den Rauch. Nach einer Weile begann er zu sprechen, zuerst leise und sehr langsam.
    »Ich erinnere mich an Avalon«, begann er. »Meine Geburt dort war nicht unstandesgemäß, doch die Tugend gehörte nicht zu meinen Stärken. Ich brachte schnell mein Erbe durch und trieb mich schließlich auf den Straßen herum, wo ich Reisende überfiel. Später schloß ich mich einer Bande Gleichgesinnter an. Als ich feststellte, daß ich der stärkste war und die besten Führungsqualitäten besaß, stieg ich schnell zum Anführer auf. Für unsere Ergreifung waren Belohnungen ausgesetzt. Mein Kopfgeld war das höchste.«
    Die Worte kamen nun schneller, die Stimme wurde klangvoller, die Formulierungen schienen ein Echo aus seiner Vergangenheit zu sein.
    »Ja, ich erinnere mich an Avalon«, sagte er, »an einen Ort voller Silber und Schatten und kühlen Gewässern, wo die Sterne die ganze Nacht hindurch wie Feuerstellen flackerten und das Grün des Tages zugleich immer das Frühlingsgrün war. Jugend, Liebe, Schönheit – all diese Dinge erlebte ich in Avalon. Herrliche Reittiere, schimmerndes Metall, weiche Lippen, dunkles Bier, Ehre ...« Er schüttelte den Kopf.
    »Einige Zeit später«, fuhr er fort, »als im Reich der Krieg ausbrach, bot der Herrscher allen Geächteten, die ihm gegen die Aufständischen halfen, die Begnadigung an. Dieser Mann war Corwin. Ich schlug mich auf seine Seite und ritt in den Krieg. Ich wurde Offizier und – später – ein Mitglied seines Stabes. Wir gewannen unsere Schlachten, schlugen den Aufstand nieder. Schließlich hatte Corwin wieder Frieden im Lande, und ich blieb an seinem Hof. Nun begann eine Reihe guter Jahre. Später kam es zu Grenzscharmützeln, die aber stets gewonnen wurden. Sein Vertrauen in mich war so groß, daß er mir diese Aktionen überließ. Schließlich vergab er einen Herzogtitel, um einen unbedeutenden Edelmann zu ehren, dessen Tochter er zu heiraten wünschte. Doch diesen Posten hatte ich haben wollen; er hatte auch schon Andeutungen gemacht, daß ich eines Tages darauf rechnen könnte. Ich war zornig und ließ mein Kommando im Stich, als ich das nächstemal losgeschickt wurde, um eine Auseinandersetzung an der Süd-grenze zu klären, wo es immer wieder zu Unruhen kam. Viele meiner Männer mußten das Leben lassen, und die Invasoren drangen in das Land ein. Ehe man sie aufhalten konnte, mußte auch Lord Corwin wieder zu den Waffen greifen. Die Angreifer waren mit einer großen Streitmacht vorgestoßen, und ich dachte schon, daß sie das ganze Land erobern würden. Ich hoffte sogar darauf. Doch Corwin, der schlaue Fuchs, wendete raffinierte Taktiken an und setzte sich wieder einmal durch. Ich floh, wurde aber gefangengenommen und zur Verurteilung zu ihm gebracht. Ich verwünschte ihn und spuckte ihn an. Ich weigerte mich, die vorgeschriebene Verbeugung zu machen. Ich haßte den Boden, auf dem er sich bewegte – ein zum Tode Verurteilter hat eben keinen Grund, sich nicht nach besten Kräften zu schlagen, nicht wie ein Mann in den Tod zu gehen. Corwin sagte, er wolle Milde walten lassen angesichts der Dinge, die ich früher getan hatte. Ich erwiderte, er solle sich seine Milde sonstwohin stecken, und erkannte schließlich, daß er sich über mich lustig machte. Er befahl, daß man mich losließ, und trat auf mich zu. Ich wußte, daß er mich mit bloßen Händen töten konnte. Trotzdem versuchte ich gegen ihn zu kämpfen, aber vergeblich. Er landete einen Schlag, und ich stürzte zu Boden. Als ich wieder zu mir kam, war ich auf den Rücken seines Pferdes gebunden. Er ritt hinter mir und verspottete mich immer wieder. Ich

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