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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Winstons Drüsen entgleist.
    »Bitte«, sagt Alfredo. Er zieht Winston am Ellbogen, steuert ihn in Richtung des öffentlichen Telefons auf der 72nd Street. Mit diesem Telefon verbindet die beiden eine Geschichte. Als Alfredo und Winston zehn waren, haben sie von hier aus Scherzanrufe gemacht; mit elf taggten sie die Seiten mit schwarzem Magic Marker, Alfredo war »Yap«, Winston »Sagat«, mit dreizehn präparierten sie unter Anleitung von Jose Batista Sr. das Telefon und andere der Nachbarschaft mit Wattebäuschen und jetzt, mit neunzehn, nimmt Alfredo den Hörer ab und wählt 911. Als er nach der Art des Notfalls gefragt wird, schaut Alfredo auf Winston und erzählt dem Menschen in der Leitstelle, ein kleiner Junge sei verletzt worden, zusammengeschlagen auf der 72nd Street, zwischen 31st und 32nd Avenue. Er ist von der Gleichmäßigkeit der eigenen Stimme überrascht. Er hatte nicht erwartet, innerlich so ruhig zu sein und in dem gleichen lockeren Tonfall, in dem er sonst ein illegales Taxi organisiert oder eine Pepperoni-Pizza bestellt, einen Krankenwagen zu rufen. Die Leitstelle erkundigt sich nach Alfredos Namen, aber Alfredo hängt den Hörer ein. Er steckt den Finger in die Münzrückgabe, sicherheitshalber.
    »Die ganzen Kinder haben uns gesehen«, sagt Winston. »Die haben unsere Gesichter gesehen.«
    Am Ende des Blocks duckt sich eine rot-gelb gestrichene Bodega. Schilder bewerben das Angebot des Ladens, aus irgendeinem Grund aber wurden die Plural-Endungen abgehackt. Die Bodega verspricht den Kunden Zigarette, Zeitschrift, Sandwich und ein Busticket nach Atlantic City. Alfredo deutet mit dem Kinn auf den Laden. »Komm mal hier mit rein«, sagt er zu Winston, »ich will dir was zeigen.«
    Glocken scheppern, als Winston und Alfredo die Tür aufdrücken. Hinter der Kasse quasselt der pakistanische Inhaber auf Urdu in sein Headset, spricht mit einem Verwandten in Islamabad oder Peschawar oder irgendeiner anderen Stadt, von der Alfredo noch nie gehört hat. Der Mann lächelt ihnen zu, als sie an seiner Theke vorbeigehen. Sie lassen das Kokusnuss-Eis, die Ramen-Nudeln, Mause- und Ameisenfallen, Einzelrollen Klopapier und staubigen Pakete mit indischem Reis links liegen und gehen weiter, bis sie das hintere Ende der Bodega erreicht haben, wo riesenhafte Kühlschränke aus dem Boden wachsen. Hinter den mit Reif überzogenen Glastüren stehen Sechserpacks Budweiser und ›40s‹ mit Starkbier, jede Dose und jede Flasche einzeln ausgezeichnet.
    »Besaufen wir uns?«, sagt Winston.
    Alfredo holt Vladimirs Pager aus der Hosentasche. Vorsichtig schiebt er seinen Daumennagel in die Nut zwischen Deckel und Plastikgehäuse und löst beide Teile voneinander. Im Inneren, wo man Drähte, Platinen oder Batterien vermuten würde, befinden sich kleine runde Ecstasy-Pillen. Hübsch angeordnet in drei Reihen zu – die Zahlen detonieren in Alfredos Kopf – je neunzehn, abzüglich der fünf, die Vladimir an diesem Nachmittag bereits verkauft haben muss. Zweiundfünfzig Pillen in einem ausgeweideten Pager.
    »Abrakadabra.«
    Winston schaut auf die Pillen. »Ich hab’s dir gesagt«, sagt er, aber es klingt kein Stolz mit.
    »Wie hart war der Knabe denn, bitte?«, sagt Alfredo. »Holt sich eine Tracht Prügel ab und verrät trotzdem nichts. Verstehst du? Ich sag dir was, ich will, dass der Kleine für mich arbeitet.«
    »Du zahlst nicht genug.«
    Ich verdiene nicht genug, denkt Alfredo. Aber jetzt, in seiner Hand, liegen zweiundfünfzig Pillen mit einem Straßenverkaufswert von fünfundzwanzig Dollar das Stück. Das wären – Alfredos Kopfrechnenmaschine hat es augenblicklich – tausenddreihundert Dollar. Das ist Geld für Christian Louis. Das ist Geld, mit dem man Kinderbettchen, Wiegen, Babystühle, Luftbefeuchter, Mobiles, Kinderwagen aus Titan, Windeln, Plüschgiraffen, Milchpumpen für Mama, Anziehsachen, aus denen das Baby herauswachsen wird, und die endlosen Besuche beim Kinderarzt bezahlen könnte. Natürlich reichen tausenddreihundert Doller nicht für alles. Allein eine Wiege mit wasserdichter Matratze kann schon fast einen Tausender kosten. Aber tausenddreihundert wären hilfreich. Allermindestens könnte man davon natürlich auch noch mehr Drogen kaufen, um daraus noch mehr Geld für noch mehr Drogen zu machen, um daraus noch mehr Geld für noch mehr Drogen zu machen und so weiter und so weiter und so weiter. Aber diese Lieferung ist nicht für mich bestimmt, ermahnt Alfredo sich. Sie gehört mir nicht, sie gehört

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